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des Staates als solchen sein, ja überhaupt nicht einmal ein selbständiges
Recht des Staates; sie ist vielmehr nichts anderes als die Staatsgewalt in
ihrer Beziehung und Basierung auf das Staatsgebiet, die Herrschaft des
Staates innerhalb seines Gebietes über alle Personen und Sachen, „die Fülle
der im Begriffe des Staates enthaltenen Herrschaft in der Anwendung auf
diesen besonderen Raum, in ungeteilter Weise, mit Ausschliessung der übrigen
Staaten“.
So aufgefasst hat die Gebietshoheit nicht eine negative und eine posi-
tive Seite, sondern einen einheitlichen Inhalt, nämlich die ausschliessende
Befugnis, die Staatsgewalt überhaupt innerhalb des fraglichen Gebietes aus-
zuüben, So aufgefasst kann sie sich auch erstrecken über Gebiete, deren
Bewohner nicht staatsangehörig sind, wie nicht minder über unbewohnte
Stücke der Erdoberfläche. Wollte man die Möglichkeit für letzteres be-
streiten, weil in unbewohnten Landstrichen der Staat nicht durch Vermitt-
lung von Personen seine Herrschaft ausüben könne, so müsste man als Kon-
sequenz in den Kauf nehmen, dass im Falle des Wegzuges der ganzen Be-
völkerung eines Landstriches der Staat die Gebietshoheit über diesen ver-
löre, — ganz zu schweigen davon, dass zum Staatsgebiet ausser dem festen
Land auch Binnen- und Territorialgewässer gehören können. Ueberdies ist
ja die Ausschliessung aus einem Raume gerade so leicht zu verstehen, wie
die Ausschliessung von einer Sache.
Richtig ist allerdings, dass in der Völkerrechtswissenschaft auch noch
heutigen Tages zumeist „das Territorium des Staates im Verhältnis zu
anderen Staaten in völlig gleichmässiger Weise wie das Eigentum in privat-
rechtlicher Beziehung behandelt wird“, und es mag auch zweckmässig sein,
zur besseren Beleuchtung der Stellung, welche die Staatsgewalt des einen
Staates gegenüber dem anderen einzunehmen hat, für die Ausschliesslichkeit
des Gebietes die Analogie des Eigentums aus dem Privatrecht heranzuziehen.
Aber darum ist noch keineswegs ausgeschlossen, dass jenes in Zukunft anders
gehalten werden könnte, noch weniger aber ist dadurch eine ähnliche Be-
trachtungsweise für das Staatsrecht bedingt. Im Gegenteil, die Theorie
Feicker’s kann ohne Schwierigkeiten auch für das Völkerrecht Verwendung
finden.
Es ist insbesondere nicht zutreffend, dass „die Abtretung eines Stückes
Staatsgebiet Abtretung eines Stückes Grund und Boden, also eines Gegen-
standes“ sei. Es steht dabei nicht die Abtretung von Grund und Boden,
sondern lediglich der Uebergang der ausschliessenden Herrschaft innerhalb
des „abgetretenen“ Teiles des Staatsgebietes auf den anderen Staat in Frage.
Treffend sagt in dieser Richtung Fricker: „Wenn der Hinz ein Vermögens-
stück verliert, so bleibt er nicht bloss trotzdem der Hinz, sondern er er-
leidet auch keine Aenderung an sich selbst. Wenn der Hinz einen Fuss
verliert, so bleibt er auch der Hinz; aber anders ist er geworden; er hat
an sich selbst eine Aenderung erlitten, Das kommt daher, weil sein Fuss