Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

— 160 — 
kann. Dahin rechnen auch die Ausführungen, dass man nicht gehalten sei, 
da, wo Flucht möglich ist, diese zu wählen und auf Notwehr zu verzichten. 
Nicht unwidersprochen bleibe indessen der Satz und das Beispiel S. 16: 
gegen blosse Belästigungen, die kein Recht verletzen, z. B. wenn jemand 
ein in der Dunkelheit promenierendes Liebespaar zu dessen Aerger mit der 
Fackel begleite, gebe es kein Notwehrrecht. Eine chikanierende Belästigung 
ist unseres Erachtens doch als ein abwehrfähiger Angriff anzusehen. Be- 
achtlich sind namentlich die juristisch richtigen Gedanken über die bei 
Laien immer verschwimmende „Ehrennotwehr*. Teil 3 erörtert das eigent- 
lich Wesentliche: Die Abwehr der Not in der Form der Verteidigung 
mit Beleuchtung der dolosen Notwehr und der Notwendigkeit, der Notlage 
lediglich in den Grenzen der Notwehr selbst abzuhelfen, die Ueberschreitung 
der Notwehr, die Notwehrpflicht, die Nothilfe, die Nothilfepflicht und den 
Einfluss von Irrtum des Sichverteidigenden. Neben völliger Beherrschung 
und guter Verwerthung aller einschlägigen Litteratur begegnen wir auch in 
diesem Hauptabschnitt manchen neuen und anregenden Gedanken, die einer 
Weitergestaltung sachgemäss den Boden vorbereiten. Freilich wird den 
schönen, theoretisch und logisch so richtigen Entwicklungen die Wirklich- 
keit nicht immer entsprechen. Denn die Abwehr der Not ist meist ein 
Kind des Augenblickes, und nicht jedem ist es gegeben, einem unerwarteten 
plötzlichen Angriff gegenüber ruhiges Blut zu behalten und kühl abzuwägen, 
was allein zur Abwehr erlaubt, und wann die Notlage behoben sei. In der 
Begründung der Notwehrpflicht steht Dr. v. A. nicht auf dem Standpunkt 
des Evangeliums (Matthäus 5 v. 38—41), sondern erklärt mit der modernen 
Ethik die Notwehrpflicht als eine Pflicht gegen die Gesamtheit, ihre Erfül- 
lung als eine gute, sittlich notwendige That. Auch die Nothilfe wird als 
eine sittliche Pflicht, daneben aber auch als ein ungeheuer weitgehendes 
gegenseitiges Aufsichtsrecht der Menschen hingestellt. Breiteren Raum 
nehmen die der Nothilfepflicht gewidmeten Ausführungen ein, unter denen 
der Nachweis, wie die soziale Entwicklung der Treupflicht in der Gefahr 
bedeutenden Nährboden entzogen hat, wohl geglückt ist. Der Schlussteil 
behandelt den Schadensersatz sowohl nach geschehener, als auch wegen unter- 
lassener bezw. mangelhafter Nothilfe, um mit der Erörterung, ob nach Analogie 
des Finderlohnes die allgemeine Einführung einer Belohnung für Nothilfe 
anzustreben sei, zu schliessen. 
Halberstadt. Dr. Benedix.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.