Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

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Bınpine ist natürlich daran gelegen, den Theorien gegen- 
über, welche von der Norm verlangen, dass sie mit Rechtsfolgen 
ausgestattet sei, welche sog. leges imperfectae nicht kennen wollen, 
die Selbständigkeit der Norm darzuthun. Ist die Norm wirklich 
das Primäre gegenüber dem „Strafgesetz“, so muss sie allerdings 
selbständig sein können; mit der Selbständigkeit der Norm wird 
auch ihre Qualität als Voraussetzung der Strafandrohung bekämpft. 
Die leges imperfectae weisen äusserlich keine ordentliche, 
keine formelle Sanktion auf. Sie beweisen aber, wie später aus- 
zuführen sein wird, da sie ohne eine wenigstens faktische Sank- 
tion oder Garantie, z. B. durch eine Disziplinarordnung, überhaupt 
nicht Gesetz sein können, also nicht wirkliche imperfectae sind, 
die Selbständigkeit der Norm durchaus nicht. Ebenso ist dies- 
bezüglich der Umstand bedeutungslos, dass sog. normenbringende 
(Gesetze oft vor den bez. Vollziehungs- (Straf-) Gesetzen erlassen 
werden. Entweder sind jene Normgesetze anfänglich ohne Kraft, 
oder sie erhalten im Notfalle ausserordentlichen richterlichen Schutz. 
Wenn ferner bloss die Strafandrohung geändert wird, bleibt die 
Norm nicht bestehen, sondern unterliegt de facto ebenfallls der 
Novation. Ja selbst wenn bei der Schaffung eines Gesetzes ver- 
schiedene Organe derart zusammenwirken, dass das eine die Grund- 
sätze (Normen), das andere die Exekution (Strafgesetz) statuiert, 
ist eine begriffliche Auseinanderhaltung von Norm und Straf- 
gesetz nicht zulässig. 
Bispine kennt nur eine öffentlichrechtliche Norm. Er ver- 
wirft ausdrücklich Normen, die etwa aus dem Strafgesetz (Gebot 
an den Richter) oder aus dem Zivilgesetz gewonnen und nur 
halb der Kontraktsfälle auf die Verletzung einer besonderen Vertragspflicht. 
CoHnFELD (R. CornxreLp, Lehre vom Interesse nach römischem Recht, Leipzig 
1865, S. 26) opponierte, es seien nur Gebote der Moral, nicht zu töten, zu 
stehlen, nicht zu betrügen, zu beschädigen, blosse Regel der Lebensweisheit 
sei es, in den Geschäften des bürgerlichen Lebens die nötige Aufmerksam- 
keit anzuwenden. Das Recht habe keinen Präventivcharakter, sondern wirke 
durch Strafen und schreite erst ein, wenn das Delikt begangen sei.
	        
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