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mit verschiedenen Adressen versehen sind. Um so bedenklicher
ist es, dass er selbst von „nicht reinen Normen“ spricht, wie bei-
spielsweise der „fiskalischen Norm“. Da nämlich beim Fiskus
der öffentlichrechtliche Charakter gegenüber dem privatrechtlichen
zurücktritt, ist es mindestens zweifelhaft, ob die „fiskalische“
nicht eine privatrechtliche Norm sei.
Den Haupteinwand gegen die Normentheorie, die Normen
hätten überhaupt keine Rechtsnatur, versucht BinDin@ vergeblich
zu entkräften. Wohl verlangt er mit gutem Grunde, dass das
Recht imperativistische Natur besitze, aber mit ebenso gutem
Grunde leugnet ZITELMANN, gegen den er den Angriff richtet,
den gewaltlosen Norm-Imperativ und definiert die Norm folge-
richtig als hypothetisches Urteil, was ihn allerdings nicht hindert,
die Verbindlichkeit der Norm und damit ihre Rechtsnatur zu
behaupten.
Diese ZiITELMANN’sche Auffassung der „Norm“ ist die logisch
richtigere. Zu welchen Resultaten sie aber führt, sehen wir viel-
leicht am deutlichsten bei BıerLına?2?. Seine Herleitung der
Norm ist allerdings infolge der Verquickung von Imperativ- und
Urteilsbegriff zunächst ziemlich verworren. Alle Rechtsnormen
drücken nach ihm den Inhalt von Rechtsverhältnissen, d.h. Ver-
hältnissen zwischen Berechtigten und Verpflichteten, aus. Und
umgekehrt lässt sich überall, wo uns Rechtsverhältnisse entgegen-
treten, auch deren Inhalt — die korrelaten Rechtsansprüche und
Rechtspflichten — in Gestalt von abstrakten Normen objektivieren
und demgemäss von einer Art objektiven Rechts sprechen.
Nun kann aber, entgegnen wir, wenn „jede Norm als Im-
perativ den Inhalt eines Willens ausdrückt, der sich an einen
zweiten Willen richtet und von diesem seine Erfüllung erwartet“,
nur dieser erste Wille Inhalt der Norm sein, der zweite muss
2 E, R. Bıerıove, Juristische Prinzipienlehre, Freiburg i. B. 1898,
Ss. 145ff.