Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

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Gemeinschaft (Staat), als vor einer speziellen bezüglichen Norm- 
anerkennung existent zu denken sein, und die Anerkennung von 
Normen soll nicht bloss eine jeweilige, „eine räumlich und zeit- 
lich bedingte“, sondern eine „schlechthinige“ sein. Normen gelten, 
heisse: es sind lebendige Menschen da, in deren Geist sie gelten, 
welche an ihnen als an einem dauernden geistigen Besitztum fest- 
halten, sie anerkennen. 
Diese Erklärung des Geltungsgrundes hat wenigstens einen 
logischen Hintergrund. Sie weist deutlich auf eine nahe Verwandt- 
schaft mit der Philosophie des Naturrechts und KanT's hin. 
Die Naturrechtslehrer hatten den Geltungsgrund in der Natur, 
hinter welcher jedoch die Ratio steckte, gefunden. Kant lässt 
die menschlichen Handlungen, soweit sie nicht durch die Triebe 
bestimmt sind, durch den Zwang der praktischen Vernunft, die 
mir so und nicht anders zu handeln befiehlt, bestimmt sein, auf 
dem moralischen Gebiet entsprechend durch den kategorischen 
Imperativ. Auf diese Weise entfällt allerdings das Willensproblem 
und das Problem der Erzwingbarkeit. 
Was ist nun aber diese Appropriation der Normen durch 
den menschlichen Geist realiter anderes, als die Anpassung des 
eigenen Willens an die Verhältnisse, resp. an die andringenden 
höheren Willen? Vom Subjekt aus gedacht, mögen wir dies frei- 
willige Anerkennung nennen, objektiv ist es unfreier Wille, Zwang 
im weitesten Sinne. Dieser Gedanke drängt sich auch BIERLING 
auf. Er muss zugestehen: Die Norm sei allgemein als freiwillige 
zu denken. Das sei, praktisch angesehen, selbst dann der Fall, 
wenn sie mit Gewalt abgerungen sei, sofern sie als habituelles 
Respektieren der betreffenden Normen, als Regel des Zusammen- 
lebens zwischen Genossen sich darstelle. Die Anerkennung 
brauche weder eine direkte, noch eine bewusste zu sein. Dieser 
erweiterte Zwangsbegriff eigne übrigens allen Normen, selbst 
denen der Sitte und Mode, warum also nicht auch den Rechts- 
normen,
	        
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