Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

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Diese Beweisführung ist nicht zwingend. Es ergiebt sich für 
uns einfach, dass der Unterschied zwischen den Rechtsnormen 
und den übrigen Normen nur ein relativer sein kann. Wem 
BIERLING einwirft, es sei genau genommen überhaupt keine mensch- 
liche Gewalt (etwa eine natürliche?) für sich allein im stande, 
die Anerkennung oder Erfüllung eines Gebotes zu erzwingen — 
coactus tamen voluit —, so ist dies vom subjektiven Standpunkt 
(Willensfreiheit) als richtig zuzugeben. Im einzelnen Fall wird es 
jedoch auf das objektive Geschehen ankommen, also objektiven 
Zwang geben, sonst hinge ja der Begriff des Zwanges überhaupt 
in der Luft. 
In Anbetracht des nach ihrer "Ansicht mehr spirituellen 
Wesens des Rechts ist es begreiflich, dass die Normtbheoretiker 
nichts vom Zwangsmoment als Essentiale des Rechts wissen 
wollen und, da sie es nicht aus der Welt schaffen können, em 
Zwangsrecht als Nebenrecht konstruieren. „Das adelige Recht 
scheut den unadeligen Zwang, aber es bedarf seiner Hülfe allzu 
notwendig“ (BınDing). 
Zwang als Essentiale des Rechts bedeutet entweder, dass 
die Sanktion eines Rechtssatzes durch die organisierte staatliche 
Zwangsgewalt begrifflich notwendig, oder dass der Begriff Zwang 
überhaupt dem Begriff Recht inhärent ist. Welche Auffassung 
den Vorzug verdient, werden wir später sehen. Im einen Fall 
wird die administrative Exekutierbarkeit der gesetzten Prinzipien 
verlangt, der Zwang wird als Bedingung des Rechts angesehen, 
d. h. er ist als „Sanktion“ bei der Entstehung des Rechts ursäch- 
lich in gleicher Weise wie die „Setzung“ beteiligt, im anderen 
Fall wird die faktische Verbürgung der Realisierung der Rechts- 
prinzipien durch die Gemeinschaft für eine genügende Sanktion 
gehalten. 
Ein sog. Zwangsrecht existiert in Wirklichkeit gar nicht. 
Es müsste übrigens ad absurdum stets von weiteren Zwangsrechten 
gehalten sein. Die Normtheoretiker erlassen sich gewöhnlich die
	        
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