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er will aber auch eine bestimmte Veränderung in der Aussen-
welt, eine nach dem Massstab seines Vorstellungskreises mehr
oder minder komplizierte, er erklärt ein „Geschehenwissenwollen“.
Nichts hindert uns, diese Willen wieder in so und so viele
Einzelwillen zu zergliedern. Nach dem Prinzip der Willensein-
heit giebt es aber nur einen relevanten Willen. Damit ist nicht
gesagt, dass nicht durch einen äusserlich einzigen Willensakt,
wie 2. B. die Erklärung, die verschiedensten subjektiven Willen
bethätigt werden könnten. Beim Vertrag sind aber relevante
Willen die gewissermassen weitgehendsten, umfassendsten, also
die des Geschehenwissenwollens.
Nach unserer Auffassung begegnen sich im Vertrag minde-
stens zwei Willen ergänzungsweise. Konsens entsteht äusserlich
durch das Aneinanderschmiegen der Willen, aber nicht innerlich
durch Identität. Die Willen heben sich auf, ihre Ziele
gehen ja über die Korrespondenz, realiter den Güter-
umtausch, nicht hinaus; folglich entsteht kein neuer,
kein „Vertragswille“, die Verbindlichkeit des Vertrages
entspringt nicht dem Konsensus°®. Die verschiedenen Inter-
essen mögen immerhin weiterbestehen, denn sie gehen ja über
die Willen hinaus.
Der Vertrag ist immer Rechtsgeschäft, d.h. Verkehr
in rechtlicher Form, aber nie die Regelung, die Organisation
desselben selbst. Jeder Kontrahent handelt innerhalb des Spiel-
raums seiner subjektiven Rechtssphäre. Seine Willenserklärungen
sind insofern verbindlich, als sie sich innert der Grenzen des ob-
jektiven Rechts bewegen, als sie dem Oberwillen, dem Rechts-
willen konform sind. Der Einzelwillen als solcher ist höchstens
moralisch verpflichtend.
®® Etwas anderes ist unter dem Vertragswillen zu verstehen, der aus
der Interpretation des Vertragsinstrumentes gewonnen wird. Dies ist objektiver
Wille, der, soweit er real wirkt, wie wir sehen werden, eben die Vereinbarung
voraussetzt.
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