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demnach die Summe der Einzelwillen. In Wahrheit sind die
Interessen, wenigstens die subjektiven (das objektive Interesse
fällt noch nicht in Betracht), von vornherein durchaus ver-
schiedene. Wir sehen z. B. bei jedem beliebigen Gesetz, dass
die Einzelnen ein durchaus verschiedenes Interesse am Zustande-
kommen desselben haben. Gleicherweise sind die subjektiven
Willen durchaus verschieden: das zeigen die unzähligen Motive,
die Ausgangspunkte dieser Willen. Der Gemeinwille kann also
unmöglich die Summe dieser Willen, dieser inkommensurabeln
Grössen sein.
Scheinbar modifizieren die Vereinbarenden in der dem Ver-
einbarungsakt vorausgehenden Verständigung ihre Willen bis zur
Uebereinstimmung. In Wirklichkeit konstruieren sie, in-
dem die objektiven Willenskomponenten zusammen-
treten, einen neuen objektiven Willen. Beweis ist, dass
die subjektiven Interessen, wohl auch die subjektiven Willen in
gewisser Modifikation weiter dauern. Wie sollte diesen fron-
dierenden Willen im Gemeinwillen der eigene wieder entgegen-
treten? Die Vereinbarung der Vereinbarenden ist regelmässig
nur von einem höchst subjektiven Standpunkt aus eine freiwillige.
Nichts steht begrifflich einer erzwungenen Anteilnahme an einer
Vereinbarung entgegen.
Die Verbindlichkeit gegenüber dem Einzelnen beruht dem-
nach nirgends auf dem Gefühl, sondern stets auf der Thatsache,
dass ein leitender Wille besteht, und dass einem höheren Willens-
subjekt eine mehr oder weniger organisierte, jedenfalls aber
überlegene Gewalt übertragen ist. Als Kräfte gedacht sind die
Einzelwillen Komponenten, jedoch nicht blosse Summanden, des
resultierenden Gemeinwillens.. Während beim Vertrag mehr die
subjektive Seite des Einzelwillens (subjektives Interesse) in Be-
tracht fiel, so hier mehr die objektive (objektives Interesse).
Die Vereinbarungen können ebenfalls Rechtsgeschäfte sein.
In diesem Falle erzeugen sie relatives Recht und sind gleich-