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Wenn die staatliche Gewalt Mittel ist, so muss sich hinter
dem Staatszweck Gewalt, Wille bergen. Wenn der Herrscher
sich zwar nicht dem formellen Rechtszwang zu unterwerfen braucht,
aber dem natürlichen Zwang der Verhältnisse unterliegt, was
steckt dann hinter diesen zwingenden Verhältnissen? Was be-
dingt den dauernden Bestand der Gewalt? Gewiss auch die Ge-
walten, die in den Menschen als solchen, in der Gesellschaft ruhen,
Mag es formal-juristisch auch keine paktierten Verfassungen geben,
so ist doch etwas wie ein im Staatswillen mitwirkender Volkswille
da, nicht „ein wirrer Haufe von Einzelwillen“, sondern ein sozialer,
ein Gemeinwille.
Bb. Das Recht als organische Funktion.
Für den Theologen sind wir Menschen nur Werkzeuge in
der Hand der Vorsehung, für den Physiker Mittel, Kraft wie irgend
eine andere im Spiele der Naturgewalten. — Aber wir sind be-
wusste Naturkräfte.. Und indem wir uns unserer Kraft bewusst
werden, sind wir uns Selbstzweck, die Mittel, die wir in unserer
Hand fühlen, werden unser eigenes Vermögen. Unser Wille er-
scheint als das treibende Agens, was unsere Mittel leisten, als
unser eigenes und freies Können und Wollen.
Nach unserer subjektiven Auffassung ist dem Willen der Trieb
inhärent, ihn gegenüber anderen Willen zur Geltung zu bringen,
fremde Willen zu unterjochen (Selbsterhaltungstrieb). Auf diesen
Grundton, die Behauptung der Person und ihres Rechtsgefühles,
ist auch IHERING’s „Kampf ums Recht“ gestimmt. Hier liegt auch
die Quelle des absolutistischen Zuges, dem wir, wie überhaupt
im Kampf ums Dasein, deutlich sowohl in der religiösen wie in
der politischen Geschichte und im Recht wiederbegegnen. Die
rechtsbildenden Faktoren, die „Rechtsquellen“, suchen Macht an
sich zu ziehen, sowohl durch Vereinigung von Kräften (ÜCentra-
lisation, Organisation vermittelst Rechtssetzung), als auch durch
Erhaltung der schwachen Kräfte (Konservativismus, Formalismus