Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

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rung des Staatswillens mehr zu bewirken vermag. „Bildet sich 
doch ohne Rücksicht auf das bestehende Recht neues Recht 
z. B. in einer Revolution, in einem Sezessionskriege, giebt es 
doch viele Verträge, die nicht auf dem bestehenden Recht ba- 
sieren; warum sollte nicht auch Gewohnheitsrecht trotz der 
Untersagung durch die bestehende Rechtsordnung entstehen 
können?“ (STAMMLER). 
Es folgt ferner, dass es überhaupt ein Völkergewohnheits- 
recht geben kann. Zunächst ist festzustellen, dass das Völker- 
gewohnheitsrecht sich vom Landesgewohnheitsrecht 
materiell wesentlich unterscheidet. Der Staat kann jedoch 
dem Völkergewohnheitsrecht seine Garantie zuwenden und es 
dadurch für seine Unterthanen dem Landesgewohnheitsrecht 
gleichstellen. Gleichwohl besteht das Völkergewohnheitsrecht für 
sich allein. Hinter ihm steht eine wenn auch unvollkommene 
Zwangsorganisation, in der wiederum der staatliche Zwangs- 
apparat neben spezifischen Völkerrechtsorganen als mehr un- 
eigentliches Organ inbegriffen sein kann. Die Schwäche dieser 
Organisation bedingt übrigens die eigentümliche Mittelstellung 
des gesamten Völkerrechts. Während einerseits des Bestehen 
einer Organisation die Völkerrechtsgemeinschaft zu einer Sozial- 
potenz, einem „Weltstaat“ macht, ihr Recht, namentlich soweit 
es durch Verträge positiviert ist, als vollkommenes Recht er- 
scheinen lässt, bewirken andererseits die Mängel dieser Orga- 
nisation und die mannigfachen Partikularitäten der Rechts- 
beziehungen den gewohnheitsrechtlichen Charakter dieses Rechts 
selbst in den Grundlagen des Völkervertragsrechts. Es manifestiert 
so die Relativität des Staats und der Völkerrechtsgemeinschaft, 
sowie des Gewohnheits- und des positiven Rechts. 
Die theoretischen Schwierigkeiten in der Auffassung des 
Gewohnheitsrechts rühren im wesentlichen von der Verquickung 
desselben mit dem Naturrecht her, die sich auch in der herr- 
schenden Ansicht zu erkennen giebt (Ueberzeugungstheorie),
	        
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