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schwächeren, zu regelnden Willen voraus. Dies trifft ohne weiteres
für das Verhältnis des Staates zum Individuum zu”?®, Es ergiebt
sich also die Unmöglichkeit eines rechtlichen Verkehrs-
verhältnisses unter den Staaten ohne einen Oberwillen.
JELLINEK hingegen fährt fort: Der Staatswille ist an die
objektire Natur der Staatenbeziehungen gebunden. Diese objek-
tiven Momente nimmt der Staat in seinen Willen auf, sie werden
zu Normen, welche seinen Willen durch seinen Willen binden,
indem sie gleichzeitig Recht werden. Die normativen, objektiven
Momente haben ohne den Staatswillen keine rechtliche Natur,
sie sind bloss gedachte, rein potentielle Beziehungen, also kein
Naturrecht.
Nun ist aber der Gedanke, dass die einzelnen Staatswillen
von selbst, von Natur aus, übereinstimmende oder korrespon-
dierende : Tendenzen erhielten, ein durchaus naturrechtlicher.
Zwar ist nicht zu leugnen, dass die natürlichen Verhältnisse zur
Bildung und Erhaltung übereinstimmender oder korrespondierender
Willen führen, dass die Natur- oder Vernunftgemässheit die ein-
zelnen Willen nivelliert: wenn aber das Prinzip der Willens-
freiheit aufrecht erhalten werden soll, kann hier, wo der auto-
nome Wille eingreift, von Naturzwang keine Rede mehr sein. In
Wirklichkeit handelt es sich denn auch um reale Menschenwillen,
die hinter jenen natur- oder vernunftgemässen Willen ein gutes
Stück zurückstehen; zeigt sich doch selbst in der Auffassung der
Rationalität stets die grösste Verschiedenheit.
Eine neuere deutsche Schule gelangt, indem sie unter Bei-
behaltung der alten Souveränitätstheorie von dem Prinzip der
Realität des Rechtswillens ausgeht, folgerichtig zur Leugnung
des Völkerrechts.
”® Für das Verhältnis der Individuen innert des Staates, wo die korre-
spondierenden Willen zumeist schwankend, möglicherweise unvernünftig sind,
ist die Notwendigkeit eines konstanten, überlegenen und vernünftigen Ober-
willens vollends in die Augen springend.