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römische Person ist ein absoluter Begriff. — Der germanistischen
Genossenschaftstheorie ist das Individuum das unterste Glied
einer langen Reihe von Persönlichkeiten. Im Begriff des Orga-
nismus findet sie die Ueberwindung jener Identität von Person
und Individuum: Jede Person ist ein Organismus. GIERKE er-
klärt: Der höchste physische Organismus (im Gegensatz zum
sozialen) ist der Mensch, hier endet die Naturwissenschaft. Die
darwinistische Theorie muss notwendig von der Anschauung aus-
gehen, dass das Entwicklungsgesetz, welches den Organismus der
Einzelwesen bis zur Hervorbringung des Menschen gesteigert und
vervollkommnet hat, jenseits dieser Grenze den Organismus des
menschlichen Gremeinlebens zeugt und gestaltet. Sie wird, je mehr
sie den Organismus des Individuums gesellschaftlich auffasst, um
so leichter das gesellschaftliche Gemeinwesen organisch erklären.
Da also die germanistische moderne Person ein relativer
Begriff ist, wendet PREUSS gegen die Souveränitätslehre GIERKE’S
ein, ist auch der Staat ein relativer Begriff und die
Souveränität keinesfalls ein absoluter. Absolute Macht
ist überhaupt ausser dem Recht, ist Faktum. Macht im Rechts-
sinn muss durch andere Willenssphären beschränkt sein, wenn
anders das Wesen des Rechts in der Abgrenzung der Willens-
macht der Persönlichkeit liegt.
Aber schliesslich muss es doch eine überstaatliche oder
letzte staatliche Macht, vielleicht der Völkergemeinschaft geben,
die nicht weiter bestimmt ist. Ist dies absolute, natürliche, von
Menschen nicht bestimmte Gewalt? PreEuss muss die Frage
offen lassen. Eine Antwort kann nur die Lehre von der Ge-
meingewalt geben: Auch diese Gewalt ist eine rechtliche,
ist Gemeinwillen — Recht ist Gewalt —. Freilich ver-
blasst da der Souveränitätsgedanke, wenn anders man nicht die
ganze Völkergemeinschaft als Souverän annehmen will, dessen
Gewalt absolut ist, doch nicht im Sinne der Willkür oder der
Naturgewalt.