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Der Präsident einer Republik ist ein ausgesprochenes Organ
der Staatsgewalt. Seine Befugnis ist normiert — subjektives
Recht —, aber seine amtlichen Verfügungen sind Aktion des
Staates. Der Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts be-
deutet also kaum mehr als die einfache abstrakte Beziehung der
Person zum Amt (Örganschaft).
Diese Ausführungen werden namentlich bei den sog. kon-
stitutionellen Individualgarantien praktisch. Da hier näm-
lich das Gesetz, das objektive Recht, in subjektiver Fassung sta-
tuiert ist, scheint es einfach eine Zusammenstellung von realen,
selbständigen subjektiven öffentlichen Rechten zu sein, Ihrer Ent-
stehung nach sind dies als Recht konstituierte liberale Grundsätze
bezüglich der organischen Stellung des Individuums in der staat-
lichen Gesellschaft. Es ist aber wohl zu beachten, dass das
wahre subjektive öffentliche Recht auch in diesem Fall nur eine
abstrakte Berechtigung resp. Pflicht ist, während die zugleich er-
zeugte rechtliche Kraft Ausfluss der Organsfunktion ist®®.
Die geschichtliche Entwicklung des Staates charakterisiert
sich, wie bereits angedeutet, durch die wachsende Komplikation
der Interessen der Stände in dem Sinn, dass die Interessen der
unteren Stände mit der Erstarkung ihrer wirtschaftlichen Gewalt
zu höherer Bedeutung gelangten. Sie wurden schliesslich direkt
wahrzunehmende Staatsinteressen (Volksvertretung)”. Die un-
teren Stände erlangten staatliche Organschaft. Eine Gesellschaft
politisch Unfreier kann nicht als Organ betrachtet werden, denn
deren Interessen erheben sich nicht über die der Herren. Hin-
gegen ist schon die Wahlkörperschaft in ihrer Gesamtheit, ob-
8° Analog ist z.B. auch das Urteil nicht wirklich Inhalt des subjektiven
Rechts „zu richten*®.
s’ Wo an Stelle des souveränen Machthabers, dem gegenüber das Volk
mehr blosse Pertinenz des Bodens ist — l’Etat c’est moi —, das demokrs-
tische Majoritätsprinzip noch nicht getreten, greift doch immerhin ver-
mittelst der Interessenvertretuug modernes Staatsgewohnheitsrecht mil-
dernd ein.