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organisierten Staat, sind von vornherein als irrtümlich von der
Hand zu weisen *,
Das Eigentümliche der völkerrechtlichen Vereinbarung liegt
namentlich darin, dass als Träger des Gemeinwillens keine be-
sonderen äusseren Organe regelmässig bestehen — als solche mögen
immerhin Kongresse, diplomatische Konferenzen, das permanente
Schiedsgericht u. s. w. gelten —, insbesondere nicht für die
Exekutive, sondern dass die Garantie des Rechtswillens
als eine hauptsächlich materielle im gewohnheitsrecht-
lichen Verhalten der Staaten selber zu suchen ist. Auch
im Staate haben wir ja, wo theoretisch mit der formellen souveränen
Gewalteneinheit nicht mehr auszukommen war, eine materielle
(faktische) reziproke Garantie, am deutlichsten in der reinen
Demokratie (Regierung — Volksvertretung) gefunden.
Es handelt sich nun darum, festzustellen, wer im Völker-
recht als Vereinbarender zu betrachten it. Nach der herr-
schenden Lehre sind es bekanntlich nur Staaten und speziell die
„Staaten des europäischen Völkerrechts“. Als praktisches Kri-
terium für die völkerrechtliche Zugehörigkeit galt ehemals die
abendländische, christliche Kultur, seit der Anerkennung der
Türkei und Japans allgemein eine der europäischen angeblich
entsprechende. Ein inneres rechtliches Kriterium lag in der sog.
formellen oder konkludenten völkerrechtlichen Anerkennung. —
Sind aber diese Kriterien für die Beurteilung der ausserstaat-
lichen rechtlichen Beziehungen durchgreifend? Sind nur die an-
erkannten Staaten Personen des Völkerrechts?
Wir wollen in Beantwortung dieser Frage zum Voraus daran
erinnern, dass nach unserer bisherigen Darlegung ein recht-
% Aus der mangelnden Einsicht in die Relativität des Willens erklärt
sich das Bestreben leicht, historisch Gewordenes als Aktion eines absoluten
und freien Willens zu interpretieren und selbst entsprechende historische
Vorgänge zu fingieren (contrat social), oder diesen absoluten Willen in der
Idee der staatlichen Souveränität zum Ausdruck zu bringen.