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licher Verkehr zwischen zwei Völkerrechtspersonen un-
möglich ist ohne eine gemeinsame völkerrechtliche Basis,
dass es keine einseitige rechtliche, noch eine bloss faktische Ge-
bundenheit beim Vertrage giebt, da alle Akte dieses Verkehrs
Rechtsgeschäfte sind, also nicht der objektiven Rechtsbasis, der
völkerrechtlichen Vereinbarung entraten können. Mehr aus dunkeln
Empfindungen heraus sind die Theoretiker dazu gelangt, die Be-
dingung gemeinsamer, resp. gleich hoher Kultur zur Rechtsbedin-
gung zu machen. Nach MArTEns® müssen die Glieder der
Staatengesellschaft durch gemeinsame soziale, politische und Kul-
turinteressen auf der breiten Basis wesentlich gleicher Bestrebungen
und übereinstimmender Weltanschauung verbunden sein. Es ge-
nügt immerhin, wenn die Völker wenigstens annähernd auf gleicher
Stufe der Kultur und des Fortschritts stehen. Und HEILBORN
sagt?*: Die Grundlage des Völkerrechts ist ein dauernder, ge-
meinschaftlicher, geordneter Verkehr, wie ihn der Handel be-
gründet. Diese Gemeinschaft tritt auch äusserlich z. B. in der
Gesittung hervor. (China und Japan [nach MARTENS auch die
Türkei] stehen deshalb ausserhalb der Völkerrechtsgemeinschaft.)
Diese Grundlage dürfte für die exakte Begründung des Völ-
kerrechts nicht genügen, sofern dieses nicht im naturrechtlichen
philosophischen Sinn aufgefasst werden soll, sondern im positiven.
Es ist namentlich unerfindlich, warum nur gewisse Staaten Per-
sonen des Völkerrechts sein können. — Die Entstehung dieser
Ansicht ist offensichtig. Die Staaten sind die hauptsächlichsten
Träger und Förderer des Völkerrechts und sodann leiden alle
Versuche, weitere Beziehungen der Völker als rechtliche zu
proklamieren, unter dem Misskredit des Naturrechts.
Typisch sind in dieser Beziehung die Auslassungen HEır-
BORN’s. Giebt es neben dem europäischen Völkerrecht, frägt er,
» ER, Martens, Konsularwesen und Konsularjurisdiktion im Orient,
Berlin 1874, S. 12fl.
®e P, HxıuLzorn, Das völkerrechtliche Protektorat, Berlin 1891, 8. 9f.