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mittelflüchtigen Richtung des Willens nicht zur freien und
vollendeten Einheit gelangen, welche die über diese beiden Ge-
biete hinausgeschrittene Entwicklung in Anspruch nimmt. Wie
die bürgerliche Gesellschaft ist nun auch die Völkergenossenschaft
von unbestimmtem Umfang, trägt aber in sich den Keim des
Völkerrechtsstaates.
Unter den neueren Autoren hat endlich Fıore!' in der
Universalität des Völkerrechts und äusserlich in Anlehnung an
naturrechtliche Doktrinen das Dogma durchbrochen, nach welchem
nur Staaten Personen desselben sein können. Er fasst das
objektive Völkerrecht auf als die höchste und äusser-
liche Norm der Existenz und des Verkehrs derjenigen
Personen, welche in der magna civitas koexistieren und
unter sich in Beziehung stehen, unter der rechtlichen
Protektion und Kollektivgarantie der Staaten der
Völkergemeinschaft. Es ist das reale Recht der magna
civitas!®!, Personen des internationalen Rechts sind
alle Wesen, welche Willen und Freiheit haben, welche
eine Individualität unabhängig vom Staat, jure suo, be-
sitzen und ihre Aktionssphäre in alle Teile der Welt
ausdehnen können. So ist die (römisch-katholische) Kirche
als notwendige und natürliche Einrichtung und als spontane
Form des menschlichen Associationstriebes, als Organismus, eine
universelle, öffentlich rechtliche Institution, eine Person der magna
eivitas. Da der Mensch eine rechtliche Kapazität be-
sitzt, die ihm als Menschen, unabhängig von derjenigen,
die ihm als Bürger von Staats wegen zukommt, ist auch
ihm Personalität als Fundament seiner internationalen
0° P, Fiore, Il diritto internazionale codificato e la sua sanzione giu-
ridica (Torino 1890), p. 88.
101 Der Boden der reinen Normtheorie und des rein philosophischen
Rechts ist — freilich dem Anschein nach nicht durchwegs — im Grunde
verlassen,