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tragspartei, unterhält Gesandte, ist auf Konferenzen vertreten
u. Ss. w., und selbst bei den heutigen Verwicklungen mit den
Grossmächten beobachtet man hüben und drüben nach Möglich-
keit die völkerrechtlichen Formen.
Nun entbehrt aber die Unterscheidung einer engeren Völker-
rechtsgemeinschaft nicht aller Begründung. Die kulturelle Ent-
wicklung gewisser Staaten hat neben der inneren Stabilisation
der Staatsgewalt (Allianzfähigkeit) eine beträchtliche Vermeh-
rung geordneter internationaler Beziehungen, namentlich aus aus-
gesprochenen wirtschaftlichen Ursachen, erzeugt. Diese Staaten
haben sich mehrfach zu formellen Vereinbarungen zusammen-
gethan (wie Weltpostverein, Genfer Konvention, permanentes
Schiedsgericht); sie werden regelmässig zu Kongressen zugezogen.
Sie stehen unter dem Regime eines verhältnismässig ausgebildeten
und eigenartigen Gewohnheits- und Vertragsrechts. Sehen wir
aber genauer zu, so bemerken wir, dass auch das engere Recht
dieser Staaten in verschiedene heterogene Komplexe zerfällt.
Es lässt sich da, abgesehen von der inneren Einteilung in öffent-
liches und privates Recht, unterscheiden:
1. Das allgemeine (europäische) Völkergewohn-
heitsrecht, das z. B. die internationalen Verkehrsformen regelt.
2, Das allgemeine (europäische) Völkervertrags-
recht, so wie es in erster Linie in den internationalen Konven-
tionen niedergelegt ist!®.
3. Spezielles Völkergewohnheitsrecht, wie es sich
unter einer Minorität von Staaten aus lokalen Interessen (Meer)
oder aus politischen (Monroedoktrin) herausgebildet hat.
4, Spezielles Völkervertragsrecht, welches einen sehr
grossen Teil des ausserstaatlichen Rechts ausmacht. Dahin ge-
hören alle rechtlichen Vereinbarungen unter einer Minorität von
0» Mit Vertragsrecht ist hier nur das wirkliche Vereinbarungsrecht
gemeint, währenddem die eigentlichen Verträge Rechtsgeschäfte auf Grund
eines vielleicht nur gewohnheitsrechtlichen Vereinbarungswillens sind.