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Erhöhte Bedeutung der Verwaltungsgerichtsbarkeit infolge der
Centralisation der Verwaltung.
Wie gegenüber der Justiz, so kommt der französischen Ver-
waltungsgerichtsbarkeit auch innerhalb der Verwaltung eine er-
höhte Bedeutung zu.
Nach deutschem Rechte beschränkt sich die Zuständigkeit
der Verwaltungsgerichte darauf, über Akte der lokalen Ver-
waltungsbehörden zu erkennen; eine Zuständigkeit derselben
gegenüber Entscheidungen der Üentralinstanz ist grundsätzlich
ausgeschlossen; insoweit die Minister zu entscheiden haben, ist
deren Entscheidung endgültig.
Vom französischen Standpunkt mag hierin eine gewisse Ein-
schränkung des Rechtsschutzes erblickt werden®!; dem dortigen
Verwaltungsrecht ist ein solcher Grundsatz fremd. Er würde
aber auch in Frankreich eine ganz andere Bedeutung gewinnen;
er würde dort fast eine Verneinung des Rechtschutzes bedeuten.
Dies liegt an der in Frankreich straff durchgeführten Cen-
tralisation der Verwaltung; und von diesem Standpunkt
aus erscheint die Verwaltungsgerichtsbarkeit dort von wesent-
lich anderer und grösserer Bedeutung.
Das französische Recht stellt die Einheitlichkeit der Ver-
waltung derart schroff fest, dass dem Prinzipe nach die Minister
alleinige Vertreter des Staates sind. Alle Forderungen gegen
den Staat insbesondere müssen von einem Minister „liquidiert“
sein (Dekret vom 31. Mai 1862 art. 62)’. Soweit die Minister
nicht ihre Befugnisse kraft gesetzlicher Ermächtigung ihren
Unterorganen delegiert haben, handeln sie allein in einer den
51 LAFERRIERE I 9.48, 55. Vgl. STENGEL, Organisation der preussi-
schen Verwaltung, Leipzig 1884, S. 556,
#2 Vgl. Loenma VI S.17 Anm. 4.