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ist, ihren Machtbereich auszudehnen, so ist ihr auch verwehrt,
ihn zu beschränken; sie verkennt ihre Zuständigkeit, wenn sie
sich weigert, eine Handlung ihres Ressorts vorzunehmen, indem
sie behauptet, zu der Handlung nicht berechtigt zu sein. Auch
diese „incomp6tence negative“ unterliegt der Anfechtung durch
„recours pour excös de pouvoir“ 17,
b) Der zweite Rechtsgrund „vice de forme“ bezieht sich
auf die zahlreichen Gesetze, welche einen Verwaltungsakt be-
stimmten Förmlichkeiten unterwerfen, z. B. die Anhörung ge-
wisser Verwaltungskörper, die Vernehmung von Zeugen oder
Sachverständigen, sowie Zustellungen vorschreiben oder andere
Verfahrensvorschriften geben!’®, Werden solche Formen, welche
als Rechtsgarantien für die Beteiligten gedacht sind, nicht oder
nicht ausreichend beobachtet, so liegt nach französischer Auf-
fassung excös de pouvoir vor. Denn die betreffende Behörde
hatte nur eine durch jene Vorschriften beschränkte Befugnis und
daher eine Macht ausgeübt, die ihr in dieser Weise nicht zu-
stand: „L’obligation de statuer dans certaines formes e&tait une
des conditions, une des limites du pouvoir accord&“!, In dieser
Beziehung stimmt die Rechtsprechung des Conseil d’Etat mit
der des Kassationshofes überein, welcher gleichfalls unter exc&s de
pouvoir die Verletzung der wesentlichen Verfahrensvorschriften
begreift, weil diese als gesetzliche Beschränkungen der richter-
lichen Gewalt aufgestellt seien, die der Richter nicht überschreiten
dürfe?1°,
c) Der Conseil d’Etat ist aber über die Rechtsprechung des
Kassationshofes hinausgegangen, indem er allmählich den Begrifi
des „exc&s de pouvoir“ auf alle Arten irgend einer „violation
de la loi*, mit denen Verwaltungsakte behaftet sein können,
ausgedehnt hat. Eine solche Rechtsverletzung kann darin liegen,
dass ein Verwaltungsakt sich in Widerspruch zu rechtskräftigen
107 TJAFERRIERE II S. 519. 108 Ibid. S. 520f.
100 Aucoc, Conference I S. 297. 110 LAFERRIERE 8. 400.