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Ob die Eisenbahn im Hinblick darauf, dass nach Lage der Sache
nur Verschulden der von ihr mit der Aufbewahrung des Gepäcks
Beauftragten in Betracht kommen kann, auf Grund ‚der End-
vorschrift des 8 278 B.G.-B. auch die Haftung für Fälle vorsätz-
licher Schadensstiftung ausschliessen kann, wie REINDL meint'*,
erscheint zweifelhaft. Nach 8 458 H.-G.-B. haftet die Eisenbahn
für ıhre Leute und für andere Personen, deren sie sich bei der
Ausführung der Beförderung bedient. Wie das Reichsgericht
in seiner Bd. VII S. 127 abgedruckten Entscheidung ausgeführt
hat!®, bezieht sich der Nachsatz: „Deren sie sich bei der Be-
förderung bedient“, nicht auf den Begriff „Leute“, sondern bildet
eine Beschränkung der Kategorie der „anderen Personen“. Man
könnte also auf den ersten Blick folgendermassen argumentieren:
Da die Eisenbahn für ihre Leute in gleichem Umfange haftet,
wie sie selbst, sie aber nach $ 276 Abs. 2 die Haftung wegen
Vorsatzes nicht ausschliessen kann, darf sie auch nicht die Haf-
tung für vorsätzliche Schadenszufügung ihrer Leute ablehnen.
Hierfür würde auch $ 9 V.-O. sprechen, der für die Verkehrs-
ordnung, wie sich aus seiner Stellung am Anfange der Verord-
nung ergiebt, allgemein das Prinzip aufstellen will, dass die Eisen-
bahn für ihre Leute haften soll. Allein in diesem Umfange fehlt
dem $ 9 die gesetzliche Wirksamkeit. Die vorstehende Argu-
mentation ist unrichtig: 8 9 V.-O. will offenbar den $ 458 H.-G.-B.
übernehmen, übersieht aber, dass dieser nur eine Haftung der
Eisenbahn für ihre Leute in beschränktem Sinn statuiert, näm-
lich soweit es sich um eine Thätigkeit bei der Beförderung von
Gütern oder Personen auf den Eisenbahnen handelt. Die Vor-
schrift ohne weiteres auf die mit dem Transportgeschäft der
Eisenbahn in keinem oder doch nur in losem Zusammenhange
stehende Aufbewahrung des Reisegepäcks zu erstrecken, ist un-
“2.d.V.D. E.-V. S. 534.
15 Vgl. PucueLt, Kommentar zum Allgemeinen Deutschen Handels-
gesetzbuch, 4. Aufl., II S. 1212 No. 3.