-- 464
hinauslaufenden allgemeinen Kritiken im Grunde doch recht minderwertige
Eintagserscheinungen sind und bleiben, so müssen auch die ihnen gewidmeten
Widerlegungen, seien sie auch noch so richtig, doch unbefriedigt lassen.
Anders, wo ein wirklich greifbarer, konkreter Vorwurf erhoben ist und
widerlegt werden kann. In diesen Fällen, den Angriffen gegen namentlich
die reichsgerichtliche Judikatur über 8 166 R.-St.-G.-B., über die Straflosig-
keit des Diebstahls an Blektricität, gegen den ausgedehnten Spielraum
richterlichen Ermessens bei der Strafzumessung, oder die Bewertung sach-
verständiger Gutechten für die richterliche Entscheidung, da erweist sich
die objektive, praktische, erfahrungskundige Widerlegung als eine äusserst
wirkungsvolle. Jedenfalls verdient auch die mannhafte und freimütige Ent-
schiedenheit, mit der dem so viel gerühmten „Rechtsbewusstsein des Volkes“,
unter dessen Flagge nur zu oft engherziger Konfessionalismus oder einseitige
Parteianschauung segelt, begegnet wird, lebhafteste Anerkennung. Möge
auch der warmherzige Appell zur Wiederbelebung und Stärkung des Ver-
trauens in die Rechtspflege, mit dem die Schrift schliesst, in allen Beteiligten,
namentlich in der „guten Presse“ ein kräftiges Echo finden.
Halberstadt. Dr. Benedix.
Gerhard Anschütz, Die gegenwärtigen Theorien über den Begriff
der gesetzgebenden Gewalt und den Umfang des könig-
lichen Verordnungsrechts nach preussischem Staatsrecht.
Zweite vermehrte und umgearbeitete Auflage. Tübingen und Leipzig,
J. ©. B. Mohr (Paul Siebeck) 1901. VIII und 176 S.
Es ist eine Streitschrift, die der Verf. hier bietet. Sie wendet sich
gegen eine in der neueren Litteratur hervortretende Lehre, welche sie als
krypto-absolutistisch bezeichnet. Die „rechtssatzmässige Regulierung aller
sozialen Lebensbeziehungen“ kann nach preussischem Recht nur durch ein
Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das ist die These, die ver-
teidigt wird. Die Behauptung eines der preussischen Krone zustehenden
„Rechtsverordnungsrechts praeter legem* gilt es zu bekämpfen. Auf GnEIsT
ist diese Richtung zurückzuführen; ARNDT ist neuerdings ihr eigentlicher
Wortführer; BoRNHAK, v. STENGEL, ZORN kommen nebenbei in Betracht.
Der Verf. weiss, dass er die herrschende Meinung vertritt. Deshalb
bält er es mit Recht doch nicht für überflüssig, die Frage einmal gründlich
zur Erledigung zu bringen; sie ist wichtig genug. Und die Gründlichkeit
kann man ihm nicht abstreiten. Er bringt ein sehr reichliches Material bei
zur Entwicklung des Gesetzesbegriffe im preussischen Staatsrecht und zur
Auslegung der bezüglichen Verfassungsbestimmungen. Es ist alles gescheher,
was geschehen kann. Insbesondere scheint der Nachweis genügend durch-
geführt, dass alles, was als Beleg angerufen wird für ein thatsächlich gehand-