Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

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habtes selbständiges Rechtsverordnungsrecht, nichts anderes ist als einfache 
Verwaltungsvorschrift ohne Rechtssatznatur, deren Zulässigkeit nicht be- 
stritten ist. Das ist gerade der schwache Punkt der kekämpften Lehre, 
dass sie keinen Boden in der Wirklichkeit der Rechtshandhabung hat und 
das, was sie dafür ansieht, eitel Missverständnis ist. 
Der Verf. hat also meines Erachtens vollkommen recht in der Sache 
selbst und wohlgethan in der Art, wie er seinen Standpunkt vertritt. 
Im einzelnen möchte ich noch über einige Punkte mich mit ihm aus- 
einandersetzen. Es handelt sich durchaus nicht darum, seine Ergebnisse 
zu beeinträchtigen, sondern Anregungen zu geben zu weiterer Diskussion, 
welche diese Dinge wohl verdienen. 
Dass der Begriff der gesetzgebenden Gewalt für die preussische -Ver- 
fassung kein anderer ist als der der konstitutionellen Theorie im allgemeinen 
und der der Verfassungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten, daran 
wird festgehalten werden dürfen. Verf. sucht aber diese Auffassung noch 
durch eine dritte Anknüpfung zu festigen: auch das ältere preussische Recht, 
insbesondere das Allgemeine Landrecht, soll schon den nämlichem materiellen 
Gesetzesbegriff enthalten (S. 171). Schon das Allgemeine Landrecht, meint 
er (S. 128), proklamiert das Prinzip der gesetzmässigen Verwaltung, 
demzufolge Verwaltungsakte, welche in die Freiheits- und Vermögenssphäre 
der Unterthanen zwingend eingreifen, nur auf Grund eines Gesetzes vor- 
genommen werden dürfen. Er schreibt ihm eine „durchaus moderne rechts- 
staatliche Auffassung“ zu. „Ein reiner Polizeistaat im Sinne O. MaAvEr’s 
war der altpreussische Staat zur Landrechtszeit jedenfalls nicht mehr“ 
(S. 165 Note). 
Nun möchte ich nicht missverstanden werden. Die Namen Polizeistaat 
und Rechtsstaat bezeichnen tiefgehende Gegensätze in der Grundauffassung 
des rechtlichen Verhältnisses zwischen Staat und Unterthan. Die wissen- 
schaftliche Darstellung ist berechtigt und verpflichtet, das Alte und das 
Neue in aller Schroffheit zu scheiden, hie Polizeistaat, hie Rechtsstaat, 
das sind verschiedene Dinge. Es wäre aber, das empfinde ich mit dem Verf. 
auf das lebhafteste, eine ganz ungeschichtliche Verfahrensweise, wenn men 
behaupten wollte, dass diese Begriffe in der Wirklichkeit mit derselben 
Schroffheit sich scheiden, so dass an einem zu bezeichnenden Punkte der 
Polizeistast mit all seinen Eigentümlichkeiten aufhörte und der Rechtsstaat 
mit allen Einrichtungen und Gepflogenheiten, die ihm entsprechen, an die 
Stelle trat. Natura non facit saltum und die Geschichte erst recht nicht. 
Der Staat, den wir als Rechtsstaat bezeichnen, schleppt immer noch eine 
Reihe von Gedanken mit, die er vom Polizeistaat geerbt hat und die zu ihm 
nach seinem reinen Begriff nicht passen. Und umgekehrt kommen im 
Polizeistaat zum Teil schon Anschauungen zur Geltung, die der kommende 
Rechtsstaat in seiner Weise verwertet. Das zeigt sich ganz besonders deut- 
lich an den deutschen Staaten. Ihre Entwicklung zum Rechtsstaat ist ja 
Archiv für öffentliches Recht. XV. 3, 30
	        
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