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habtes selbständiges Rechtsverordnungsrecht, nichts anderes ist als einfache
Verwaltungsvorschrift ohne Rechtssatznatur, deren Zulässigkeit nicht be-
stritten ist. Das ist gerade der schwache Punkt der kekämpften Lehre,
dass sie keinen Boden in der Wirklichkeit der Rechtshandhabung hat und
das, was sie dafür ansieht, eitel Missverständnis ist.
Der Verf. hat also meines Erachtens vollkommen recht in der Sache
selbst und wohlgethan in der Art, wie er seinen Standpunkt vertritt.
Im einzelnen möchte ich noch über einige Punkte mich mit ihm aus-
einandersetzen. Es handelt sich durchaus nicht darum, seine Ergebnisse
zu beeinträchtigen, sondern Anregungen zu geben zu weiterer Diskussion,
welche diese Dinge wohl verdienen.
Dass der Begriff der gesetzgebenden Gewalt für die preussische -Ver-
fassung kein anderer ist als der der konstitutionellen Theorie im allgemeinen
und der der Verfassungen der deutschen Mittel- und Kleinstaaten, daran
wird festgehalten werden dürfen. Verf. sucht aber diese Auffassung noch
durch eine dritte Anknüpfung zu festigen: auch das ältere preussische Recht,
insbesondere das Allgemeine Landrecht, soll schon den nämlichem materiellen
Gesetzesbegriff enthalten (S. 171). Schon das Allgemeine Landrecht, meint
er (S. 128), proklamiert das Prinzip der gesetzmässigen Verwaltung,
demzufolge Verwaltungsakte, welche in die Freiheits- und Vermögenssphäre
der Unterthanen zwingend eingreifen, nur auf Grund eines Gesetzes vor-
genommen werden dürfen. Er schreibt ihm eine „durchaus moderne rechts-
staatliche Auffassung“ zu. „Ein reiner Polizeistaat im Sinne O. MaAvEr’s
war der altpreussische Staat zur Landrechtszeit jedenfalls nicht mehr“
(S. 165 Note).
Nun möchte ich nicht missverstanden werden. Die Namen Polizeistaat
und Rechtsstaat bezeichnen tiefgehende Gegensätze in der Grundauffassung
des rechtlichen Verhältnisses zwischen Staat und Unterthan. Die wissen-
schaftliche Darstellung ist berechtigt und verpflichtet, das Alte und das
Neue in aller Schroffheit zu scheiden, hie Polizeistaat, hie Rechtsstaat,
das sind verschiedene Dinge. Es wäre aber, das empfinde ich mit dem Verf.
auf das lebhafteste, eine ganz ungeschichtliche Verfahrensweise, wenn men
behaupten wollte, dass diese Begriffe in der Wirklichkeit mit derselben
Schroffheit sich scheiden, so dass an einem zu bezeichnenden Punkte der
Polizeistast mit all seinen Eigentümlichkeiten aufhörte und der Rechtsstaat
mit allen Einrichtungen und Gepflogenheiten, die ihm entsprechen, an die
Stelle trat. Natura non facit saltum und die Geschichte erst recht nicht.
Der Staat, den wir als Rechtsstaat bezeichnen, schleppt immer noch eine
Reihe von Gedanken mit, die er vom Polizeistaat geerbt hat und die zu ihm
nach seinem reinen Begriff nicht passen. Und umgekehrt kommen im
Polizeistaat zum Teil schon Anschauungen zur Geltung, die der kommende
Rechtsstaat in seiner Weise verwertet. Das zeigt sich ganz besonders deut-
lich an den deutschen Staaten. Ihre Entwicklung zum Rechtsstaat ist ja
Archiv für öffentliches Recht. XV. 3, 30