- - 468
nebenbei die Aufgabe der Polizei im Gegensatz zu der der Polizeigerichts-
barkeit und doziert: „Die nötigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen
Ruhe u. s. w. zu treffen, ist das Amt der Polizei.“ Dass die Polizei die
hierfür erforderliche Macht und Gewalt hat, ist ihm selbstverständlich. Erst
nachträglich, als die Forderungen des Rechtsstaates eine gesetzliche Grund-
lage nötig machten, hat man dem harmlosen Satz diese bedeutsame Rolle
zugewiesen. Ursprünglich bezeugt er gerade recht kräftig, dass das All-
gemeine Landrecht an das, was wir Rechtsstaat nennen, noch nicht denkt.
Jedenfalls bedurfte es für diese nach Lage der Sache recht unwahrschein-
liche Annahme stärkerer Beweise, als der Verf. sie vorbringt. —
Die Einwendungen, welche ich hier gemacht habe, beziehen sich auf
einen Nebenpunkt, auf die Beurteilung der einzelnen Entwicklungsstufen des
bestimmten Staates. Zum Kern der Sache, zum Begriff der gesetzgebenden
Gewalt, wie der Verf. ihn feststellt, wäre noch folgendes zu bemerken, Es
handelt sich hier, wie gesagt, um eine Streitschrift und naturgemäss spitzt
sich deshalb alles zu auf die Position der Widersacher. ARNDT und (Genossen
behaupten die Möglichkeit der Aufstellung von Rechtssätzen ohne Gesetz;
der Verf. betont dem gegenüber mit vollem Recht die ausschliessliche Zu-
ständigkeit des Gesetzes. Aber erschöpft sich der Begriff der gesetzgeben-
den Gewalt in der Fähigkeit, den Rechtssatz zu erzeugen? Mir scheint, es
liegt noch etwas anderes darin, und dieses andere kommt bei dem Verf. zu
kurz. Er verkennt es nicht, im Gegenteil, er hebt es kräftig hervor, aber
er möchte es mit dem Rechtssatzbegriff verschmelzen, während es doch als
etwas besonderes davon sich wesentlich unterscheidet und selbständig daneben
stehen kann. Sehen wir, wie Verf. z. B. S. 73, 79, 83 den Rechtssatz be-
stimmt, so finden wir immer ein Konglomerat von zwei Gedanken. Neues
Recht setzen, meint er, ist „Vorschriften erlassen, welche den Unterthanen
neue, bisher nicht Rechtens gewesene Zwangsverpflichtungen, Lasten und
Leistungen auferlegen“. Eine Vorschrift ist nicht Rechtssatz, wenn sie nicht
„mit Befehl und Zwang in die Freiheit der Unterthanen eingreift“. Ein
Reglement gehört nicht in den Bereich der Legislative, weil es nicht besteht
aus „Normen, welche Freiheit und Eigentum der Unterthanen beschränken‘.
Die hier in das Wesen des Rechtssatzes verlegte Fähigkeit, Eingriffe in Frei-
heit und Eigentum der Unterthanen rechtmässig zu machen, gehört aber
meines Erachtens in Wahrheit nicht zu diesem, sondern zum Vorbehalt des
verfassungsmässigen OGtesetzes, das seinerseits nicht notwendig Rechtssatz ist.
Es giebt auch Gesetze, welche den Unterthanen Gewährungen machen, Rechte
gegenüber dem Staate zuweisen, Freiheiten von Verwaltungsmassregeln
sichern oder freiwillig übernommene Verpflichtungen regulieren, wie z. B.
das Reichsbeamtengesetz. Hier sehen wir überall Rechtssätze, aber keine
„Eingriffe“, keine „neuen Auferlegungen“. Und umgekehrt ist es aller-
dings richtig, dass nach heutigem Staatsrecht kein Eingriff geschehen darf
anders als durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes; aber das Gesetz