Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

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kann solche Eingriffe auch machen oder ermächtigen ohne Rechtssatz, durch 
#inzelverfügung; Beispiel: die Beschlagnahme des Vermögens des ehemaligen 
Königs von Hannover. 
Der Verf. selbst scheint mir die wiederholt betonte Zusammenbindung 
von Eingriff und Rechtssatz nachträglich wieder zu verleugnen, wenn er 
8. 135 sagt, die gesetzgebende Gewalt bedeute, „dass jeder Rechtssatz und 
damit jede rechtliche Verpflichtung des Staates wie des Einzelnen, jedes 
Müssen und Dürfen unmittelbar oder mittelbar auf dem Willen des Gesetz- 
gebers beruht“. Der Rechtssatz kann ja allerdings auch eine „rechtliche 
Verpflichtung des Staates“ dem Einzelnen gegenüber bedeuten; dann ist er 
offenbar kein Eingriff und doch der gesetzgebenden Gewalt als der rechts- 
setzenden Gewalt vorbehalten. Der Verf. sucht dann wieder anzuknüpfen an 
seine ursprüngliche Formulierung, indem er unmittelbar fortfährt: „dass ins- 
besondere ein Zwang gegen Freiheit und Vermögen der Unterthanen nur 
geübt werden kann durch ein Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes“. Das 
Wort „insbesondere“ ist falsch; denn solche Eingriffe sind, wie gesagt, aller- 
dings dem (tesetz vorbehalten, d. h. der in Form des Gesetzes ergehenden 
staatlichen Willensäusserung, aber nicht dem Rechtssatz. Es handelt sich 
also um zweierlei wesentlich verschiedene rechtliche Eigenschaften, Fähig- 
keiten, Vorbehalte des verfassungsmässigen Gesetzes, die auch thatsächlich 
getrennt zur Erscheinung und Wirksamkeit gelangen können. Sie können 
freilich auch beide verbunden erscheinen, indem das Gesetz in Gestalt eines 
Rechtssatzes Eingriffe macht oder ermächtigt. Das ist dann die eindrucks- 
vollste Erscheinung der gesetzgebenden Gewalt. Es ist kein Wunder, wenn 
man sie vor allem im Auge hat und hervorhebt. In den süddeutschen Ver- 
fassungen z. B. wird geradezu der Begriff der gesetzgebenden Gewalt danach 
bestimmt. So namentlich Bayr. Verf.-Urk. Tit. VII 8 2: Ohne die Stände 
kann „kein allgemeines neues Gesetz, welches die Freiheit oder das Eigentum 
des Staatsangehörigen betrifft“, erlassen werden. Hier erscheint beides ver- 
schmolzen und sogar der formelle Gesetzesbegriff ist mit hineinverwebt,. Es 
soll heissen: nur mit den Ständen kann ein Gesetz erlassen werden, nur ein 
solches Gesetz kann neue allgemeine Regeln, Rechtssätze machen und nur 
ein solches Gesetz kann auch Eingriffe begründen. Die praktische Hand- 
habung löst, wie mir scheint, ohne Schwierigkeit die einzelnen Elemente aus 
dieser Verschlingung und bringt sie zu selbständiger Geltung. Die Theorie 
aber hält sich mit Vorliebe noch an jene zusammenfassende, meines Er- 
achtens ungenaue Formulierung. Der Verf. steht damit durchaus nicht 
allein; im Gegenteil, er hat den herrschenden Brauch für sich. 
Otto Mayer.
	        
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