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Schul- und Kirchenbehörden auch gegen den vereinten Wider-
spruch der Eltern erzwungen wird. Den entgegengesetzten Stand-
punkt nimmt das preussische Ausführungsgesetz zum Bürger-
lichen Gesetzbuch ein, indem es durch Art. 89 Ziff. 1° Teil II
Titel 2 8 78 des Allg. preuss. L.-R. aufrecht erhält. Für das ein-
seitige Bestimmungsrecht des Vaters sprach sich auch der streng-
katholische Oberlandesgerichtsrat Dr. K. SCHMIDT, T zu Col-
mar, 8. 66, 505 und 510 seiner Schrift „Confession der Kinder“
aus. Dem Vater gegenüber kann eine ausdrückliche oder still-
schweigende Vereinbarung betreffs des Bekenntnisses der Kinder
nur geltend gemacht werden, solange! er in einem Gebiet wohnt
oder sich aufhält, worin diesbezügliche Eheverträge gelten. Ein
zur Zeit der Eheschliessung in Bayern oder Sachsen wohnhaft ge-
wesener Ehemann braucht also nur nach Baden, Hessen, Preussen,
Thüringen u. s. w. zu ziehen, um von der der Frau gegebenen Zu-
sage loszukommen. Namentlich im badisch?-rheinischen Rechts-
gebiete hält man, wie in Hessen, an der Unverbindlichkeit der
bezüglichen Eheabmachungen fest; hiermit stimmt die Gesetz-
gebung auch in? Belgien, Frankreich, Holland, Italien und Luxem-
burg überein.
II. Der Mutter bleibt, wenn der Vater die ihr zugesicherte
religiöse Trauung* oder Kindererziehung verweigert, Klage auf
Scheidung oder Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft un-
! Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen der nichtstreitigen
Gerichtsbarkeit Bd. 14 S. 434; GeieeL, Kirchen- und Stiftungsr. I 94, 243;
Mourrog, Reichsländ. Ausführungsges. zum B. G.-B. S. 333; rhein. Arch. 94
II 72; NöLLe, Kommentar zum preuss. Fürsorge-Erziehungsges. 116 ; SchMITZz,
Komm. 136.
®2 Badische Rechtspraxis (bei G. Braun, Karlsruhe) 1902 No. 5 S. 66;
Huser’s Zeitschr. für deutsches bürgerl. und franz. Civilrecht 1902 (Bd. 33)
S. 57.
® Cattellani dir. internaz. priv. T. III p. 383 (bei Unione tipogr. ed
Turin).
* B. G.-B. 1568; Geieeu Il.