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Verbot, bei welchen die wenigen Konfliktsbestimmungen, die man
in den verschiedenen Bänden des „Swod Sakonow“ antrifft, nur
Ausnahmen von der Regel bilden (z. B. Art. 835 Bd. IX,
Art. 464 u. 707 C.-P.-O., Art. 66 Abschn. 2 Kredit-O. und
einige andere). Die russischen Gerichte sind verpflichtet, in
jedem gegebenen Falle, ohne sich an Art. 822 zu kehren, gerade
dasjenige Gesetz, die Norm anzuwenden, sei es nun eine rus-
sische oder ausländische, welche der Natur des fraglichen Rechts-
verhältnisses entspricht. Es fragt sich nur, wie ist — le cas
ech&eant — das ausländische Gesetz anzuwenden? Diese allgemeine
Frage zerfällt ihrerseits in eine Reihe spezieller Fragen.
Erstens: Hat der Richter ex officio oder bloss auf Antrag
einer der Parteien seiner Entscheidung das ausländische Gesetz
zu Grunde zu legen? Da die russische Gesetzgebung eine direkte
Antwort auf diese Frage nicht enthält, so kann dieselbe nur auf
theoretischem Wege gelöst werden. Früher vertrat die Mehrzahl
der Schriftsteller den Standpunkt, dass für den Richter das aus-
ländische Gesetz die Bedeutung einer blossen Thatsache besitzt,
welche von derjenigen Partei zu beweisen ist, welche sich auf
dieses Gesetz beruft!!. Diese Ansicht hat auch jetzt noch ihre
Anhänger unter den englischen Juristen und hat ihren Ausdruck
im Art. 13 des argentinischen (1871), Art. 172 des sächsischen
(1863) und Art. 7 des montenegrinischen (1888) Gesetzbuches
gefunden'?, Sie liegt auch einer recht bedeutenden Anzahl von
Entscheidungen deutscher Gerichte zu Grunde. Jedoch seit
WÄCHTER und SavıcnyY hat die Doktrin eine andere Richtung
eingeschlagen und spricht sich heutzutage beinahe einstimmig zu
Gunsten einer Anwendung ausländischer Gesetze ex officio aus’®,
1ı Vgl. v. Bar, Theorie und Praxis des internationalen Privatrechts
1889, Bd. I S. 132.
12 Der Text der genannten Artikel ist unter anderem bei NEUMANN,
Internationales Privatrecht 1896 N. 48ff. angeführt.
13 Siehe Asser-Rıvıer, Elements de droit international prive 1884, p. 24;