Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

— 520 — 
Dieser Standpunkt ist zweifelsohne als der allein richtige anzu- 
sehen. In der That, indem der Richter dieses oder jenes aus- 
ländische Gesetz zur Anwendung bringt, erfüllt er bloss die Vor- 
schrift der inneren Gesetzgebung. Die in jedem Staate gelten- 
den Konfliktsnormen, d. h. Normen, die gewisse Rechtsverhältnisse 
nach den Gesetzen eines bestimmten Staates zu beurteilen ge- 
bieten, stellen einen integralen Teil des inneren positiven Rechts 
dar. Das Gericht ist deshalb nicht frei, dieselben anzuwenden 
oder nicht, sondern ist verpflichtet, das Gesetzgebot zu erfüllen. 
Die Sache ändert sich auch dann nicht, wenn im System der 
Konfliktsnormen eine Lücke besteht und der Richter genötigt 
ist, sog. allgemeine Erwägungen zu Hülfe zu nehmen, d. h. das 
Schweigen des-Gesetzgebers zu deuten. Das internationale Privat- 
recht kann auch tacite recipiert sein. Diejenigen seiner Normen, 
welche sich auf Usancen gründen oder aus dem Faktum des inter- 
nationalen Verkehrs emanieren, sind von Staatsorganen und Pri- 
vatpersonen als von der inneren Gesetzgebung recipiert anzusehen, 
wenn das Gegenteil nicht ausdrücklich bestimmt ist. Jedenfalls 
ist die Wahl zwischen inländischem und ausländischem Gesetz 
keineswegs dem freien Ermessen des Gerichts überlassen *. 
Die russische Kassationspraxis hat in dieser Frage, wie es 
scheint, von Anfang an den richtigen Weg betreten. In keiner 
der recht zahlreichen Entscheidungen des Kassationshofes, Fragen 
des internationalen Rechts betreffend, ist ein Hinweis darauf zu 
finden, dass ausländische Gesetze nicht anders als auf Antrag der 
Parteien anwendbar sind. Im Gegenteil, hat der Kassationshof 
(1884 No. 14) erkannt, dass, indem die russischen Gesetze die 
v. Bar, op. cit. I, 133ff.; Niemeyer, Vorschläge und Materialien zur Kodi- 
fikation des internationalen Privatrechts 1895, $ 8; Neumann, loc. cit.; 
A. Rom, Principes du droit international prive 1897, I, 783 et suiv. 
“ 14 Nach der treffenden Bemerkung NIEMEYER’s, loc. cit.: „Die Anwend- 
barkeit ausländischen Rechts wird nicht als eine Konzession an das Belieben 
der Parteien bloss zugelassen, sondern auf Grund objektiver Erwägungen 
vom Gesetzgeber hefohlen.“
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.