Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

— 524 — 
dieser Lösung der Frage zu!®. Dabei laufen Argumente, die 
zu Gunsten dieser Ansicht angeführt zu werden pflegen, haupt- 
sächlich darauf hinaus, dass Interpretation einer ausländischen 
Norm eine Frage der Thatsache sei und deshalb ausschliess- 
lich von der Instanz abhängt, welche die Sache ihrem Wesen 
nach beurteilt. Die Aufgabe der Kassationsinstanz dagegen ist 
Vereinheitlichung der heimischen Jurisprudenz, die Kontrolle 
über eine gleichförmige Anwendung des inländischen Rechts. 
Seine Wachsamkeit kann sich nicht auf ausländische, ihm mög- 
licherweise unbekannte Gresetzgebungen erstrecken und vor falscher 
Interpretation bewahren. Es wäre eine Verletzung des juristi- 
schen Gefühles, wenn z. B. das französische Kassationsgericht 
beim Interpretieren eines russischen Gesetzes von dem Sinne ab- 
weichen würde, der vom russischen Kassationshof festgestellt ist. 
Wie unüberzeugend diese Argumente sind, sieht man sofort. 
Wieso ist Interpretation ausländischer Gesetze nur eine Frage 
der blossen Thatsache und nicht eine Frage des Rechts? Nur 
dann könnte man sich damit einverstanden erklären, wenn An- 
wendung oder Nichtanwendung fremder Gesetze vom Gutdünken 
und freien Ermessen des Gerichts abhängig wären; thatsächlich 
ist aber letzteres dazu verpflichtet, und der Hinweis der Parteien 
kann nur als Hülfsmittel dienen, um den Inhalt der betreffenden 
Norm festzustellen. 
Auf diese Weise wird das ausländische Gesetz, dank der 
Konfliktsnorm, sozusagen von dem inneren Recht recipiert, 
seine Postulate werden für die Beurteilung des entstandenen 
Streitfalles obligatorisch. Darum unterscheidet sich eine Ver- 
letzung eines fremden Gesetzes in nichts von einer falschen An- 
18 Op. BROCHER, Cours de droit international prive 1882, I; AssER- 
Rıvier, loc. cit. u.a. Eine Analyse der wichtigsten Gerichtsentscheidungen 
in diesem Sinne siehe bei LaurEnT, Le droit civil international 1880, II, 
498 et suiv., und bei CoLın im Journal du droit international prive 1890, 
p. 106 et suiv., 794 et suiv. Vgl. A. Weiss, op. cit. III p. 176.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.