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Von diesen 61 Familien gehören nur die 20 mit einem *
bezeichneten, also nicht einmal ein Drittel, zu dem alten
Herrenstande; die übrigen waren aus dem niederen Adel,
einige wenige auch ausländische Geschlechter, bei denen man die
Anschauungen, die der deutsche Hochadel über ebenbürtige
Ehen hegte, nicht ohne weiteres voraussetzen kann.
8 5.
So lag es im 18. Jahrhundert nahe, den Entwicklungsgang,
den man täglich vor Augen hatte, als den von alters üblichen
zu betrachten und sich die Vorgänge der Vorzeit analog denen
der Gegenwart vorzustellen. Allein diese Auffassung krankt
an einem Grundirrtum, nämlich an der Annahme, hoher
und niederer Adel sei aus einer gemeinsamen Wurzel,
den Freien, hervorgegangen und der einzige Unterschied bei
den Familien bestehe darin, dass bei den einen dieser Prozess
schon in entlegener Vorzeit, bei anderen erst später vor sich
gegangen sei. Heute ist es vielmehr nicht mehr zweifelhaft,
dass der niedere Adel aus unfreien Elementen hervor-
gegangen ist®, seien es nun Hörige, die mit einem Kriegs-
lehen ausgestattet wurden, wie die Mehrzahl der Ministerialen
es war, seien es Freie, die sich gezwungen gesehen hatten, ihr
Allod einem mächtigen Nachbarn zu Minlsterialenrecht als Lehen
aufzutragen und dadurch ihre Freiheit zu mindern? Es waren
nur wenige Reste kleiner Ritterbürtiger, denen es möglich ge-
wesen war, ihre Freiheit sich zu bewahren, die reichsfreie Ritter-
schaft!° der deshalb auch mehrfach ein Connubium mit dem
8 Mit Recht sagt SchrönEr: Auf den Streit, ob die Ministerialen frei
oder unfrei gewesen, ist in einem ernsthaften Buche nicht weiter einzugehen.
(Deutsche Rechtsgeschichte, Leipzig 1898, S. 433 Anm.)
® Ebd. S. 439,
0 Yon ihr mag aber auch ein grosser Bruchteil aus Reichsministerialen,
also aus Unfreien, hervorgegangen sein; ein anderer Teil aus landsässigen
Geschlechtern, die sich frei gemacht hatten. Deshalb unterscheidet ein
Archiv für öffentliches Recht. XVII. 4. 35