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dem die demselben angehörigen Häuser, nämlich Sayn, Wied,
Lippe und Bentheim sich nicht nur verpflichteten, nur hoch-
adlige Damen, sondern sogar nur solche aus altgräflicben Häusern
zu nehmen®®. Sie schlossen also den niederen Adel sogar soweit
aus, dass sie ihm das Connubium auch dann noch nicht zu-
gestehen wollten, wenn er die Reichsstandschaft errungen hatte
— nebenbei ein interessantes Zeugnis dafür, dass in den be-
teiligten Kreisen noch immer nicht die Reichsstandschaft als das
Massgebende für die Ebenbürtigkeit angesehen wurde, sondern
dass sich eine dunkle Erinnerung erhalten hatte, ein tieferer Grund
bilde ein Ehehindernis zwischen den alten Herrengeschlechtern
und dem niederen Adel.
Der Fürstentitel und das Ebenbürtigkeitsprinzip.
8 17,
Bei dieser Sachlage kann es nicht auffallen, dass es für die
Juristen des 18. Jahrhunderts?’ kaum möglich war, sich in den
unklaren Verhältnissen zurecht zu finden. Nicht nur, dass es sich
3 GöHRruM, Die JLiehre von der Ebenbürtigkeit, Tübingen 1846, ILS. 238.
8” Auf deren Ansicht legt die Entscheidung des Reichsgerichts vom
5. Dez. 1893, die über die Ehe des Prinzen Wilhelm von Löwenstein
befindet, besonderen Wert, weil sie „zur Zeit des Bestehens des vormaligen
Deutschen Reichs lebten, also, wie ZoEPFL (Deutsches Staatsrecht, 5. Aufl.
Bd. I S 624 Anm.) betont, Publizisten waren, welchen die Reichspraxis
noch aus unmittelbarer Anschauung bekannt war“ (Entscheidungen des
Reichsgerichts, Civilsachen Bd. XXXII S. 152). Wie wenig sich indessen
oft die damaligen Juristen um „die Praxis, die ihnen aus unmittelbarer An-
schauung bekannt war“, kümmerten, geht schon daraus hervor, dass die
Juristenfakultät zu Helmstedt es 1698 fertig brachte, sogar die Rechts-
beständigkeit eines vom Kaiser bestätigten Familienvertrages, welcher die
Ebenbürtigkeit verlangte, zu verneinen (Moser, Teutsches Staatsrecht 1745,
Bd. 19 $ 102), und dass umgekehrt die Juristenfakultäten zu Helmstedt
und zu Halle die Ehe des Erbprinzen Friedrich Karl von Anhalt-
Bernburg mit einer Bürgerlichen, also etwas, was nur wenig später als
„notorische Missheirat“ bezeichnet wurde, als eine dem geltenden Rechte
nach vollgültige erklärten (Pürrter S. 512).