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um Verhältnisse handelte, deren Ursprung in dunkler Vorzeit
und deren Begründung in untergegangenen Zuständen lag, sahen
sie auch das geltende Recht in sich widersprechenden Erschei-
nungen zu Tage treten. Hier Familien des Hochadels, die die
Ebenbürtigkeit strikte forderten, dort solche, die den niederen
Adel als gleichberechtigt anerkannten; bald Zuwiderhandlungen,
die energisch bekämpft wurden, bald solche, gegen die die Agna-
ten nicht reagierten, oder die sie sogar ausdrücklich genehmigten,
Da der eigentliche Grund der Ebenbürtigkeit dem Gedächtnisse
ganz entschwunden war, und man glaubte, die alten Familien
seien in ganz der gleichen Weise, wie man es täglich von den
neuen Familien sah, in den hohen Adel aufgestiegen, so schienen
den Juristen die Zustände auf dem Gebiete des Ebenbürtigkeits-
prinzips ebenso verworren als willkürlich geschaffen zu sein,
Denn das, was das Kriterium des hohen Adels war, die
Reichsstandschaft, rechtfertigte das Ebenbürtigkeitsprinzip in
keiner Weise. Allerdings meinten die Vertreter der strengeren
Ansicht, die Landeshoheit, die Herrschaft über Land und Leute,
sei etwas so Erhabenes, ihr Besitz begründe einen solchen Unter-
schied, dass man mit Recht Fürsten und Freie, nämlich hohen
und niederen Adel, nicht mehr für ebenbürtig erachtet habe°®,
Allein man konnte sich dabei doch nicht der Erwägung ver-
schliessen, dass eine ganze Reihe von Familien des hohen Adels,
nämlich die neu in denselben aufgestiegenen, die Ebenbürtigkeit
nicht verlangten. Und sie waren doch ebensogut Reichsstände,
wie jene alten Geschlechter! Da schien es ihnen mehr doch nur
ein gewisser Hochmut zu sein, der diese veranlasst hatte, sich
nach unten abzuschliessen, ohne dass eine innere Notwendigkeit
dazu vorhanden war. Und so behaupteten die Vertreter der
laxeren Ansicht, diese später hinzuerworbene Landeshoheit sei
immer etwas Accidentelles, was die (von ihnen angenommene)
88 PürtTEerR S, 329 ff.