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solchen Weise geordnet würden, dass sie ihrem Empfinden ent-
sprächen. So gaben sie öfter und vielleicht nicht immer ohne
Absicht der Zeitströmung ihrer Tage nach, die vor allem das zu
allen Zeiten in jeder Menschenbrust wohnende Gefühl, dass die
Menschen eigentlich alle einander gleich seien, besonders lebhaft
empfand, wie der gewaltige Ruf nach Gleichheit in der bald
darauf folgenden französischen Revolution es ja deutlich zeigt.
Um so weniger darf man aber darum in ihren Arbeiten un-
parteiische und nüchterne Darstellungen des damals geltenden
Rechtszustandes sehen.
& 18.
Klar war den Juristen eigentlich nur eins in der Frage:
nämlich, dass das Ebenbürtigkeitsprinzip in den Kreisen des
hohen Adels überhaupt vorkomme. Ob es aber ein aus alter
Vorzeit überkommenes Institut oder eine erst jüngst eingeführte
Einrichtung sei, wen es umfasste und wen nicht, ob es über-
haupt ein Recht oder nicht vielmehr ein Missbrauch sei —, das
waren alles Fragen, über die man der verschiedensten Meinung
war und die ganz verschieden beantwortet wurden, je nachdem
der einzelne seine Blicke vorzugsweise auf die eine oder die andere
Familie gerichtet hielt, deren Verhältnisse ihm als die normalen
erschienen.
In dem Wunsche aber, doch einige leitende Grundzüge in
dem Chaos zu erkennen, fiel der Blick der Juristen auf eine
Aeusserlichkeit, in welcher sie glaubten einen Leitfaden finden zu
dürfen, der sie durch die vielen sich widersprechenden Erschei-
nungen hindurchführen zu können schien. Die meisten der alten
Herrengeschlechter hatten nämlich im Laufe des 18. Jahrhunderts
wenigstens in einer Linie den Reichsfürstentitel erhalten.
Schwarzburg erhielt ihn in der Linie Sondershausen schon
1697, in der Linie Rudolstadt 1710. Waldeck und Löwen-
stein wurden 1712 Fürsten; Lippe 1720, ohne Gebrauch davon
zu machen; es führte den Titel erst, nachdem er ihm 1789 er-