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Ebenso eng wie in Preussen hat man damals auch sonst den
Begriff der den Ständen vorzulegenden allgemeinen Gesetze ge-
fasst, welche Veränderungen in Personen- und Eigentumsrechten
und in den Steuern zum Gegenstande haben. Die Fassung,
welche sich in No. 2 des Gesetzes vom 5. Juni 1823 findet,
treffen wir in der Nassauischen Konstitution vom Jahre 1814
S 9 No. 1, dem Waldeckschen Landesvertrag von 1816, der
Bayerischen Verfassung von 1818, der Badischen von 1818,
dem Sachsen-Weimarer Grundgesetz von 1818 8 4, dem
Rudolstadter Landtagsabschied von 1821, der Kurhessischen
Verfassung & 75, der Meininger $ 85, dem Sachsen-Alten-
burgischen Grundgesetz 8205, der Neuen Landschaftsordnung für
Braunschweig $ 19, der Coburger Verfassung $ 65 u. s. w.
Ueberall ertönte die gleiche Klage wie in Preussen, dass den
Ständen so viele und so wichtige Gesetze vorenthalten wurden.
In Nassau wurden von 1814 bis 1848 nur sechs einigermassen
wichtige Gesetze den Ständen vorgelegt'”. In Bayern wurden
(wenigstens von 1818 bis 1848) ohne die Stände geregelt das
Schulwesen mit Einschluss der Schulpflicht und des Universitäts-
wesens, das Post- und Telegraphenwesen, Eisenbahnwesen, Militär-
strafrecht und Militärstrafverfahren, das Polizeistrafrecht (bis
1861), die Quartier- und Vorspannleistungen in Krieg und Frie-
den, die Zölle, die Gebühren u. s. w.
Es entsteht nunmehr die Frage, bei welchen Gesetzentwürfen
in Preussen die Stände vor 1848 gehört sind? Oder, anders aus-
gedrückt, welche Gesetze galten im Sinne von No. 2 des Gesetzes
vom 5. Juni 1823 als solche allgemeinen, welche Veränderungen
in Personen- und Eigentumsrechten und in den Steuern zum
Gegenstande hatten? Zählen wir von rückwärts auf. Zuerst
das erst 1851 verabschiedete, aber schon dem Vereinigten ständi-
schen Ausschusse vorgelegte Allgemeine Strafgesetzbuch,
132 y, TREITSCHKE, Deutsche Geschichte II 8. 878.