Full text: Archiv für öffentliches Recht.Siebzehnter Band. (17)

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schied zwischen Gesetz und Verordnung, welche beide „rögles sociales“ seien, 
zu erörtern, weil nur durch die Feststellung des Gesetzesbegriffes der Staats- 
begriff bestimmt werden könne. Dabei streifen sie den Gegensatz zwischen 
materiellen Rechtsvorschriften und formellen Gesetzen, indem sie S. 42 be- 
merken, dass nicht alle Akte der legislativen Gewalt in Wirklichkeit Gesetze 
sind und dass andererseits die Akte der vollziehenden (Gewalt oft über ein- 
fache Reglements hinausgehen. Allein der Begriff des Gesetzes im mate- 
riellen Sinne und die Unterscheidung von Rechtsverordnungen und Verwal- 
tungsverordnungen, welche sie S. 46 als eine Eigentümlichkeit des deutschen 
Staatsrechts erwähnen, sind ihnen zu fremdartig; sie finden vielmehr den 
Unterschied zwischen Gesetz und Verordnung in folgenden Punkten. 
Das Gesetz entstehe aus der Initiative der Gesellschaft, die Staatsgewalt 
schaffe nicht das Gesetz, sondern formuliere es?; die Verordnung dagegen 
sei eine direkte Aeusserung der staatlichen Herrschaft. Das Gesetz stelle 
eine Rechtsregel auf, welche die Handlungen verantwortlicher Personen be- 
stimme, das Reglement stelle eine Rechtsregel auf für Akte, welche für sich 
selbst, objektiv bestehen®. Das Gesetz ist die Regel der Weseti, das Regle- 
ment vielmehr die Regel der Dinge‘. Das Gesetz bestimme das Recht des 
Individuums, die Verordnung das Recht der öffentlichen Gewalt. Die Funk- 
tion des gesetzlichen Rechts sei die Garantie der Freiheit, die Funktion des 
Reglements die Organisation der öffentlichen Ordnung. Das Gesetz sei die 
Waffe des einzelnen, die Verordnung die Waffe der Gesamtheit. Die Ver- 
letzungen des Gesetzes seien Verbrechen oder Vergehen; die Verletzungen 
der Verordnungen seien Uebertretungen, bei denen es auf Verschulden und 
persönliche Verantwortlichkeit nicht ankomme. Die gesetzlichen Vorschriften 
gelten für die Staatsangehörigen und zwar auch im Auslande; die Vor- 
schriften der Reglements gelten für alle, auch für Fremde, aber nur im In- 
lande. Das Gesetz sei regelmässig für den ganzen Staat ein und dasselbe, das 
Reglement nach der Verschiedenheit der Dinge ein vielfaches. Das Regle- 
ment wirke immer als ein Befehl, das Gesetz ist oft nur dispositiv, habe zum 
Teil „un milieu virtuel.“ Die Verf. geben zu (S. 46), dass die eine oder andere 
dieser Verschiedenheiten durch einzelne geschickt gewählte Beispiele an- 
gegriffen werden könne, dass sie aber in ihrer Gesamtheit ein gültiges 
2 „L’Etat-Puissance ne cree pas la Loi: il la fixe, il la precise, il la 
formule, il l’adapte; mais les materiaux en sont fournis par des forces qui 
echappent & son pouvoir de commandement.“ 
3 „La Loi est une rögle de droit qui appelle a la vie juridique en les 
conditionnant, des actes consideres comme l'oeuvre subjective d’agents respon- 
sables. Le Röglement est une rögle de droit qui appelle & la vie juridique, 
en les conditionnant, des actes consider&s comme existant en soi, objectivement.“ 
+ ‚La Loi est la regle des ätres, le röglement est plutöt la r&gle des 
choses.*
	        
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