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Recht; sie ist eine auf dem droit objectif, d. h. dem gesellschaftlichen Zu-
stande, begründete thatsächliche Macht. Die politische Macht der aristo-
kratischen Körperschaften ist das einfache Produkt einer sozialen Struktur,
bei welcher die stärksten diejenigen sind, bei welchen gewisse Bedingungen,
kirchliche Stellung, Vermögen, Kriegsdienst, Familiengüter, gegeben sind,
In den gewählten Parlamenten sind die Abgeordneten keine Mandatare
ihrer Wähler, es kann kein imperatives Mandat geben; sie sind ebenso
wenig Vertreter des gesamten Volkes, denn es giebt keinen allgemeinen
Volkswillen, welcher von dem individuellen Willen der einzelnen verschieden
ist; ebensowenig kann man das Parlament als Ganzes als Mandatar oder
Vertretung des Volkes sich denken. Vielmehr ist der einzelne Abgeordnete
mit einer bestimmten Zuständigkeit bekleidet, welche für ihn eine „objektive“
Pflicht und eine ihr entsprechende „objektive“ Machtbefugnis wie für jeden
anderen Funktionär begründet. Daher ist er auch verantwortlich und die
sogenannte parlamentarische Immunität ist nach dem Verf. unberechtigt
(S. 150); ebenso dürfte er nicht eigenmächtig seine Funktion niederlegen ;
dieselbe endige nicht mit der von ihm erklärten Demission, sondern mit
der Annahme derselben seitens des Parlaments (S. 196), ohne dass der Verf.
übrigens erklärt, mit welchem Recht das Parlament eine Funktion aufheben
kann, die es nicht erteilt hat. Die Wahl ist nicht der Rechtsgrund für ein
subjektives Recht des Abgeordneten, sondern lediglich die vom objektiven
Recht geforderte thatsächliche Bedingung für die Ausübung seiner
Funktionen. Dabei behauptet der Verf. eine Abhängigkeit des Abgeordneten
bei der Ausübung seiner Befugnisse von dem Willen seiner Wähler, also
wohl derjenigen Partei, welche in dem betreffenden Wahlkreise einen
Majoritätssieg erfochten hat, was sich thatsächlich von dem von ihm ver-
worfenen imperativen Mandat gar nicht unterscheidet.
In der Lehre vom Staatsoberhaupt verwirft der Verf. die Auffassung
des Monarchen als Organ des Staates oder als Träger der Staatsgewalt;
selbst in der absoluten Monarchie habe der Monarch kein Herrschaftsrecht,
sondern nur eine thatsächliche Macht (S. 237 ff.) und diejenigen Funktionen,
welche dem „objektiven Recht“ entsprechen. Zu den merkwürdigsten Kunst-
Stücken der juristischen Konstruktion gehören die Versuche des Verf., mit
diesem Grundbegriff das Thronfolgerecht in der Erbmonarchie, die Königswahl
in der Wahlmonarchie, das Recht zur Abdankung und die Gebundenheit
des Monarchen an die von ihm erlassenen Gesetze in Einklang zu bringen.
Die beschränkte Monarchie hält er für unvereinbar mit der Persönlichkeit
des Staates und der Lehre von den Staatsorganen; sie sei lediglich eine
Teilung der thatsächlichen Gewalt unter zwei Herrscher, einen einzelnen
(Monarchen) und eine Gruppe von einzelnen Herrschern (Parlament) (S. 273 ff.).
Da die beschränkte Monarchie aus der absoluten hervorgegangen, so sei der
Monarch in der Ausübung aller Funktionen geblieben, welche ihm nicht
durch den neuen Mitherrscher genommen sind, also auch hinsichtlich der