Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

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Gesetzgebung, insoweit nicht eine Mitwirkung des Parlaments ausdrücklich 
erfordert werde. Der Verf. fällt nach meiner Ansicht hier etwas aus der 
Rolle, denn er schreibt hier der gesetzgebenden Gewalt eine ganz andere 
Bedeutung zu als einer blossen Formulierung des in der sozialen Solidarität 
bereits vorhandenen droit objectif. Eine gesetzgebende Gewalt giebt es nach 
seiner Ansicht gar nicht; das positive Gesetz deklariert bloss das — wenig- 
stens latent — schon vorhandene Recht, und ein davon abweichendes, auf einem 
freien Willensakt beruhendes Gesetz ist ein actus inanis. Dennoch soll ein 
Willensakt des Herrschers die Kraft haben, nicht nur die Organisation des 
Staats und die Thätigkeit der Behörden, sondern auch Freiheit und Ver- 
mögen der Individuen zu regeln. Das Parlament ist, obgleich es aus Herrschern 
besteht, verantwortlich (!), denn seine Mitglieder seien Herrscher in Stell- 
vertretung; der Monarch sei ein Herrscher an sich nnd deshalb unverant- 
wortlich. Wie verträgt sich dies mit seiner Theorie, dass es im Gebiet des 
öffentlichen Rechts überhaupt keine Stellvertretung giebt und dass die 
Funktionen sowohl des Monarchen als des Parlaments im droit objectif be- 
stimmt und begrenzt sind? Der Minister sei in der parlamentarischen 
Monarchie der Agent des Königs vor dem Parlament und der Agent des 
Parlaments vor dem König und deshalb beiden verantwortlich (S. 316). 
Es würde zu weit führen, hier die ausführlichen Erörterungen des Verf. über 
die Stellung des Präsidenten in den republikanischen Staaten, insbesondere 
in Frankreich, zu referieren; auch sie fordern in zahlreichen Punkten den 
Widerspruch heraus. 
Mit dem vierten Kapitel (S. 361) beginnt der Hauptteil des Werkes, 
das Beamtenrecht. Die Herrschenden haben zwar nur un devoir et pouvoir 
objectif, allein ihre thatsächliche Macht sei so gross, dass sie für die Freiheit 
und Sicherheit der Individuen gefährlich sei und die Beobachtung der 
Rechtsregeln problematisch werde; aus diesem Grunde habe man die Herr- 
schenden auf die Aufstellung von Rechtsregeln beschränkt; dagegen die 
Handhabung dieser Regeln Personen übertragen, welche unbedingt an die 
Beobachtung der Gesetze gebunden sind, einer Leitung und Kontrolle unter- 
liegen und verantwortlich sind. Die Beamten seien dazu da, um die Unter- 
thanen vor der Willkür der Herrschenden zu schützen; soweit es sich um 
subjektive Rechte der Individuen handelt, treten nicht die Herrscher, sondern 
die Beamten in Thätigkeit. Dass dies alles mit dem positiven Recht 
Frankreichs nicht im Einklang steht, legt der Verf. selbst. dar; es ist aber 
wohl überhaupt und für alle Staaten unzutreffend, die Existenz des Beamten- 
tums mit der Furcht vor den Herrschenden zu begründen. Diese Deduktion 
ist um so sonderbarer, als die Beamten, was ja der Verf. selbst ausrührt, von 
den Herrschenden selbst eingesetzt werden pour intervenir dans le 
domaine du droit subjectif. Aber doch wohl nicht aus Angst vor ihrer eigenen 
Macht? Die Ernennung eines Beamten enthalte weder ein Mandat noch 
eine Uebertragung (concession) eines Teils der Staatsgewalt. Ausführlich
	        
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