Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

-_2 98 —__ 
Ein Beispiel bietet die Armengesetzgebung: der Rechtssatz, dass die Ge- 
meinde den Unterstützungsbedürftigen helfen muss, würde normalerweise 
diesen einen Rechtsanspruch geben auf das hiernach zu Leistende; das Ge- 
setz hat das nicht gewollt, es hat diese Wirkung ausgeschlossen. Dass die 
anderen Armenverbände auf die rechtssatzmässige Unterstützungspflicht An- 
sprüche gründen können, bleibt bestehen. Wenn ein Gesetz jegliche äussere 
Wirkung der Anweisung, die es giebt, ausschliessen würde, dann würde 
man thatsächlich eine blosse Dienstanweisung haben und den Satz als 
solche behandeln müssen. Nun scheint es uns aber selbstverständlich, dass 
nicht leicht anzunehmen ist, dass ein Gesetz eine derartige Einschränkung 
seiner Wirkung gewollt habe. Wozu hätte man diese wirkungsfähige Form 
des Staatswillens gewählt, wenn man diese Wirkung nicht auch zur Geltung 
bringen wollte! Deshalb scheint es uns auch unrichtig, wenn das Reichs- 
gericht ohne weiteres aufstellt, dass „bei den Organisationsgesetzen der Ge- 
setzesinhalt sich in Anweisungen für Verwaltungsbehörden erschöpft“. Es 
fügt als Beleg hinzu: „die Gesetzesvorschriften, welche z. B. die Bildung 
der Schwurgerichte regeln... . sind Rechtsnormen“ — sie sind es, weil sie 
sich nicht in Anweisungen für die Behörden erschöpfer, sondern der An- 
geklagte ein Recht darauf hat, nur von einem in dieser rechtssatzmässig be- 
stimmten Weise zusammengesetzten Schwurgerichte gerichtet zu werden. 
Die rechtssatzmässige Organisation wirkt nach aussen. Verletzung einer 
blossen Dienstanweisung, einer Verwaltungsvorschrift in diesem Sinne gäbe 
dem dadurch Betroffenen gegenüber keine Rechtsungültigkeit. 
Ich bitte diese Abschweifung zu verzeihen. Sie gehört eigentlich nicht 
zur Sache. Denn für die hier bekämpften Aeusserungen dürfen wir den 
Verf. nicht verantwortlich machen. Er müsste denn etwa als Bestätigung 
seiner Lehren jeden lapsus in Anspruch nehmen, der geeignet ist, die Lehre 
vom Rechtssatz zu verwirren. 
Der Verf. steht übrigens unseren Anschauungen gar nicht so fern. Er 
ist seinerseits bestrebt, an den vielerlei Vorschriften, die er als Rechtssätze 
anerkennt, rechtssatzartige Wirkungen nach aussen aufzuweisen. Es reicht 
nur nicht immer aus. So meint er z. B. von den Schulregulativen: sie seien 
wohl zunächst Dienstbefehle an die Lehrer, aber sie bestimmen zugleich, was 
die Kinder lernen und nicht lernen sollen; sie greifen damit in die „Rechts- 
sphäre der Bürger weit tiefer ein als das ganze Bürgerliche Gesetzbuch“, 
sind also Rechtsnormen ($. 111, 146). Ebenso sind die Vorschriften über 
Anstellung, Gehalt, Alters- und Funktionszulagen, Reisekosten und Tage- 
gelder u. s. w. „um so mehr Rechtsnormen, als die in Frage stehenden Vor- 
schriften nicht lediglich der Beamten wegen erlassen sind, sondern um den 
Bürgern eine erwünschte Garantie für volkstümliche und gesetzliche Amts- 
verwaltung zu geben“ ($. 162). Aber das sollen doch keine Rechtssatz- 
wirkungen sein? Der Rechtssatz ist keine blosse Titulatur, die man durch 
kräftige Ausdrücke verleihen könnte Es hat rechtliche Bedeutung, wenn
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.