Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

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ein Rechtssatz für jemanden gewirkt hat; man kann sich darauf berufen, 
man hat Anspruch auf seine Einhaltung. Soll im Ernste behauptet werden, 
die Bürger hätten einen Anspruch auf Einhaltung der Gehaltsregulative? 
Natürlich nicht. Dann darf man aber auch nicht durch derartiges un- 
praktisches Gerede dem Rechtssatz alle feste Form und Gestalt nehmen. 
Die nämliche Unklarheit über Natur und Bedeutung des Rechtssatzes 
schwebt auch über dem Haupt- und Staatsargument, das der Verf. so breit 
und siegesgewiss gegen die „herrschende Theorie“ ins Feld führt (S.64 ff.). Er 
verwertet hier vor allem den Titel II der Verfassungsurkunde: von den 
Rechten der Preussen, die sog. Grundrechte. Sein Gedanke ist der: es ist 
falsch, anzunehmen, dass nach dem Willen der Verfassung Rechtssätze nur 
durch das Gesetz oder mit seiner Ermächtigung geschaffen werden könnten; 
denn sonst wären zahlreiche Bestimmungen der Verfassungsurkunde, welche 
für gewisse Eingriffe ein Gesetz verlangen, ein „reines superfluum“, da es 
sich bei diesen Eingriffen ohnehin um einen Rechtssatz handelt, das Gesetz 
also nach jener Meinung auch ohne solche Bestimmung notwendig wäre. 
Mit der Logik der Verfassungsurkunde darf man nicht allzu streng rechnen. 
Aber das Zwingende der Schlussfolgerung des Verf. wollen wir nicht be- 
streiten. Es fragt sich nur, ob seine praemissa minor richtig verstanden ist. 
Gewisse Eingriffe sind dem Gesetze vorbehalten, sie sollen nur nach seinem 
Willen geschehen. Was bedeutet das? Wir geraten hier mitten in die Lehre 
von der Trennung der Gewalten und das macht die Sache doppelt inter- 
essant. Denn der Verf. hat S. 225 die Priorität, diese Lehre wieder zu 
Ehren gebracht zu haben, in einer Weise in Anspruch genommen, die bei 
den von ihm so schlecht angesehenen „weltfremden Gelehrten“ nicht eben 
üblich ist, Wir lassen es dahingestellt, ob er überhaupt etwas zu Ehren ge- 
bracht hat, und fragen nur, was das ist, was er zu Ehren gebracht haben will. 
Es wird hier vor allem ankommen auf einen bestimmten Begriff von 
der gesetzgebenden Gewalt. Die Lehre, der gegenüber der Verf. die Prio- 
rität in Anspruch nimmt, versteht darunter die besondere Fähigkeit des in 
der Form des Gesetzes erscheinenden Staatswillens, gewisse rechtliche Wir- 
kungen zu erzeugen. Eine dieser Besonderheiten ist die, dass nur nach dem 
Willen des Gesetzes Rechtssätze im Staate geschaffen werden können. Eine 
andere, dass nur nach dem Willen des Gesetzes gewisse Eingriffe in Freiheit und 
Eigentum der Unterthanen stattfinden dürfen; die sog. Grundrechte bestimmen 
die also vorbehaltenen Eingriffe. Dassind zweibegrifflich wohl zuunterscheidende 
Dinge; sıe können vereinigt erscheinen, aber sie müssen es nicht. Ein Ge- 
setz kann einen Rechtssatz enthalten, ohne einen Eingriff in Freiheit und 
Eigentum vorzustellen (das hat Anscuürz verkannt). Ein Gesetz kann einen 
Eingriff bedeuten, ohne ein Rechtssatz zu sein (Beschlagnahme des Ver- 
mögens des Königs von Hannover). 
Der Verf. kann natürlich an dem Begriffe der gesetzgebenden Gewalt 
auch nicht vorbeigehen, wenn er sich mit der preussischen Verfassung be- 
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