Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

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zu Grunde liegende Prinzip der Versammlungsfreiheit ein Zweifel nicht mehr 
obwalten kann. Freilich fehlt es auch hier an geeigneten Ausführungs- 
bestimmungen. VÖLSIngG musste deswegen bei seinen Untersuchungen über 
die Handhabung des Versammlungsrechtes ebenfalls deduktiv vorgehen und 
sich fast ausschliesslich an die Verwaltungspraxis halten. Das Resultat, zu 
dem er kommt, ist folgendes: 
1. Eine Anzeigepflicht für geplante Versammlungen besteht nach der 
übereinstimmenden Praxis der Polizei nicht. 
2. Die Befugnis zur Einberufung von Versammlungen ist keiner Be- 
schränkung unterworfen. 
3. Eine polizeiliche Ueberwachung der Versammlungen findet nur dann 
statt, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung befürchtet wird; doch 
bildet in den grösseren Städten die Ueberwachung der öffentlichen Ver- 
sammlungen die Regel. 
4. Versammlungen unter freiem Himmel werden wie andere Versamm- 
lungen in geschlossenen Räumen behandelt. 
5. Oeffentliche Aufzüge sind von einer polizeilichen Erlaubnis ab- 
hängig. 
6. Die Auflösung von Versammlungen hängt nicht von gesetzlich 
fixierten Auflösungsgründen ab, sondern die Unterlagen zu einem solchen 
Vorgehen der Polizeibeamten ruhen in der allgemein angenommenen Be- 
rechtigung der Polizeibehörde, der Begehung von strafbaren Handlungen 
vorzubeugen. Man wird annehmen dürfen, dass gegen den Auflösungsbefehl 
seitens der Polizeibeamten eine Beschwerde an die vorgesetzte Behörde zu- 
lässig ist. Gesetzliche Vorschriften hierüber giebt es allerdings nicht. — 
Man kann also in Hessen mit dem Versammlungs- und Vereinsrechts- 
zustande sehr wohl zufrieden sein und ist es auch, um so mehr, weil es dort 
eine Verwaltungsbureaukratie, die gelegentlich einen polizeilichen Uebereifer 
an den Tag legt, nicht giebt. Trotzdem ist der Rechtszustand, der gegen- 
wärtig dort besteht, ein unklarer und deshalb unhaltbarer, und die VöLsme- 
sche Arbeit beweist aufs neue, wie sehr uns in Deutschland bei der enormen 
Rechtszersplitterung auf diesem Gebiete ein einheitliches Reichs-, Vereins- 
und Versammlungsrecht not thut. 
Giessen. M. Biermer. 
Dr. Adolf Buchenberger, Grossh. Bad. Finanzminister, Finanzpolitik 
und Staatshaushaltim Grossherzogtum Baden inden Jahren 
1850 bis 1900. Zugleich ein Beitrag zur deutschen Finanzpolitik. 
Heidelberg 1902. Geb. M. 7.—. 
Der als Gelehrter wie als praktischer Staatsmann gleich verdiente 
Leiter des badischen Finanzwesens hat diese höchst schätzbare Schrift seinem 
Landesherrn zu dessen fünfzigjährigem Regierungsjubiläum dargebracht. In 
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