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Teil seines Lehrbuchs der Finanzwissenschaft (S. 655 und 806) von einer
kopfsteuerartigen Wirkung der Matrikularbeiträge, weil sie nur die Zahl nicht
die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Steuerfähigkeit der Bevölkerung
jedes Einzelstaates berücksichtigen. Nun mag es ja richtig sein, dass der
Verteilungsmassstab der Matrikularbeiträge die Einzelstaaten nicht nach
Massgabe ihrer wahren Leistungsfähigkeit belastet. Aber die Bezeichnung
dieser Wirkung als „kopfsteuerartig* ist die denkbar unglücklichste. Von
einer Kopfsteuer kann schon deshalb keine Rede sein, weil der Matrikular-
beitrag als solcher eine Steuerpflicht eines Staates, also einer Korporation,
nicht aber eines Kopfes, d. h. einer physischen Person, ist. Denn das Wesen
der Kopfsteuer besteht eben darin, dass eine physische Person Steuersubjekt.
und Bemessungsgrundlage der Steuer bildet. Damit ist aber auch eine kopf-
steuerartige Wirkung des Verteilungsmassstabes auf die Einzelkontribuenten
des Gliedstaates ausgeschlossen. Denn der Verteilungsmassstab gilt ja nur
für die Bemessung der Beitragslast des Staates, niemals aber für die Unter-
verteilung auf die Einzelkontribuenten des Gliedstaates. Für die Wirkung
der Matrikularbeiträge auf diese kommt einzig und allein das Steuersystem
des Gliedstaates, vermittelst dessen ja auch die Matrikularbeiträge erhoben
werden, in Betracht. Nur dieses, niemals aber der Verteilungsmassstab der
Matrikularbeiträge, könnte für eine kopfsteuerartige Wirkung verantwortlich
gemacht werden. Von einer kopfsteuerartigen Wirkung der Matrikular-
beiträge kann also nicht die Rede sein. — In sehr anschaulicher Weise
bringt der Verf. die Gestaltung des Staatsaufwandes in Baden zur Dar-
stellung. Die wichtigste Thatsache ist da die enorme Steigerung des Staats-
aufwandes seit dem Jahre 1870. In der Periode von 1872—1900 sind die
ordentlichen Ausgaben ohne Beziehung zum Reich von 25,2 auf 58 Millionen
Mark, also um 180,1 Prozent, gewachsen. Als Grundursachen dieser starken
Aufwandssteigerung führt der Verf. die qualitative Steigerung staatlicher
Leistung und ferner die Erweiterung des Kreises der Staatsthätigkeit selber
an. Der Staat hat also die ihm bisher obliegenden Aufgaben in immer voll-
kommenerem Masse zu erfüllen gesucht, er hat ferner die Zahl dieser Auf-
gaben beträchtlich vermehrt. Anlass zu dieser extensiveren Staatsthätigkeit
gab vor allem die soziale Auffassung vom Staat, die ihm im Gegensatz zu
der früher herrschenden liberal-individualistischen Richtung die Wahrnehmung
der mannigfachsten Aufgaben auf dem Gebiet der Kultur- und Wohlfahrts-
pflege zuwies. Hieran knüpft der Verf. eine sehr beachtenswerte Warnung
vor den Ausartungen des sozialen Prinzips bei der staatlichen Bethätigung.
Das Bereich der Aufgaben des Staates hat heute keine bestimmte Abgrenzung
mehr. Alle Begriffsbestimmungen der sozialpolitischen Theoretiker sind
praktisch wertlos. Bei der sozialpolitischen Stimmung der öffentlichen Mei-
nung liegt die Gefahr nahe, dass einzelne Gesellschaftsklassen und Berufs-
stände unter dem Mantel sozialer Beweggründe die Mittel des Staates in
ganz ungerechtfertigter Weise für sich in Anspruch nehmen. Aus diesem