Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

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tums herbeigeführt. Diese Aufteilung des Grundeigentums steht auch in 
gewissem Zusammenhang mit der Verminderung der Zahl der Geburten, 
eine der dunklen Seiten in Frankreichs gegenwärtiger Lage. 
Unser Gesetzgebungsapparat und Vereine wie die Societe d’Economie 
sociale haben einen Feldzug zu Gunsten der Vergrösserung der testamen- 
tarischen Freiheit und der Vermehrung des frei verfügbaren Vermögens- 
teiles geführt. Es dürfte auch für Deutschland von Interesse sein zu er- 
fahren, welchen Wert ein Franzose der Gesetzgebung des Anerbenrechtes 
beimisst, das eine so bedeutende Rolle in der Bevölkerung der sächsi- 
schen Ebene gespielt und seit mehreren Jahrhunderten das Prinzip 
der Geschlossenheit der Höfe aufrecht erhalten hat. VERDELOT, der sich 
lange Zeit in Deutschland aufgehalten hat, hat diesen Gegenstand mit be- 
sonderer Sorgfalt studiert. Er hat sich vor allem mit sehr eingehenden 
Untersuchungen über den Ursprung dieser Gesetzgebung beschäftigt und 
beschreibt im vorliegenden Werke die Organisation des deutschen Grund- 
eigentums im Mittelalter, das Näherrecht, das Beispruchsrecht, und erwägt 
eingehend die Wichtigkeit des Systems der Erbgüter. Besonders geht er 
ein auf die Stammgüter und die Rolle, welche sie heute noch spielen und 
auf die Folgen der Freiheit, die man dem Adel im Westen des Reiches 
gelassen hat, die Erbfolge hinsichtlich seiner Güter in fast selbständiger 
Weise zu regeln, und auf das Aufrechterhalten der Hausgesetze durch das 
neue Bürgerliche Gesetzbuch. 
Er weist den spanischen Ursprung der Fideikommisse nach und die 
Rolle, die sie in Deutschland gespielt haben, er glaubt, dass das System 
der Fideikommisse grosse Dienste auch ausserhalb des Adels leisten könnte, 
und zeigt, durch welche Bestrebungen bäuerliche Fideikommisse zu be- 
schaffen wären. 
Der grösste Teil des Buches ist dem Anerbenrecht gewidmet. Von 
der Frage der Entstehung des Anerbenrechtes, wobei sich VERDELOT zu dem 
jetzt wohl allgemein angenommenen Ursprung aus der Vorträgerei bekennt, 
hat er bis zum Schicksal der Abfindlinge alle Streitfragen in Betracht ge- 
zogen; allerdings dabei nichts vorgebracht, was wir nicht schon an anderem 
Orte ausgeführt gelesen hätten. VERDELOT kommt nach sorgfältiger Ab- 
wägung der Vor- und Nachteile des Anerbenrechts zu dem Ergebnis, dass 
es für Frankreich nicht recht passe. Er hat recht; in einem Lande, wo 
die Zusammenlegung noch für eine revolutionäre Massregel gilt, ist der 
Psychologische Moment für das Anerbenrecht noch nicht gekommen. — 
VERDELOT hätte noch sagen müssen, dass man in Deutschland, da wo die 
Teilbarkeit gesetzlich erlaubt ist, in der That nicht soviel teilt wie in Frank- 
reich. Man übt hier die Praxis des Gutsübergabevertrags. VERDELOT er- 
kennt nicht den Nachteil der gesetzlichen Teilbarkeit, die sehr oft nicht zu 
einer Errichtung mehrerer neuer Wirtschaften, sondern zu möglichst günstiger 
Verhöckerung des Grund und Bodens führt; und wenn man jetzt den deut-
	        
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