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würde. Man hat in dieser Beziehung viel von der Allmacht des
Gesetzgebers gesprochen und davon gesprochen, dass das Gesetz
in der Lage sei, ein jedes Recht zu zerstören, ohne dass dafür
andere Grenzen gälten als solche, welche der Gesetzgeber sich
selbst im Gefühl der Billigkeit zieht. Allein dies gilt nur, soweit
es sich nicht um den Träger der Gesetzgebung selber
handelt: der Träger der Gesetzgebung kann nicht über sich
selbst hinaus, er kann kein Gesetz geben in der Art, dass, wer
nach der jetzigen Ordnung künftig Träger der Gesetzgebung sein
wird, seiner Zeit nicht Träger der Gesetzgebung sein soll; der
Gesetzgeber würde sonst den Boden unterwühlen, auf dem er
selbst steht. Der Thronfolger wird, sobald die Berufung an ihn
kommt, Träger der Gesetzgebung in gleicher Weise und mit
gleichem Recht wie der jetzige Fürst, und der jetzige Fürst
kann nicht, selbst nicht unter Zustimmung der Kammer, den
künftigen Thronfolger ausschliessen, ebensowenig als er bestim-
men könnte, dass nach seinem Tode eine Republik eintreten
solle: dem Gesetzgeber der Gegenwart steht der Gesetzgeber
der Zukunft gleichberechtigt gegenüber.
Ein solches, den legalen Thronfolger ausschliessendes Gesetz
kann nicht erfolgen de jure; es kann allerdings erfolgen de facto:
es verlässt dann den Boden der gegenwärtigen Rechtsordnung,
es ist dann eine kraft faktischer Macht den gegenwärtigen Zu-
stand umstossende und eine neue Ordnung begründende Bestimmung.
Damit ist nicht gesagt, dass eine solche umstossende Bestimmung
niemals rechtens werden könne. Selbst eine die jetzige Ordnung
völlig zerstörende Regelung der Sache kann rechtens werden:
Monarchien sind schon zu Republiken, Republiken zu Monarchien
geworden. Allein ein solcher Zustand legalisiert sich nicht von
selbst; er legalisiert sich erst dann, wenn er von den übrigen
Staaten anerkannt wird, er legalisiert sich durch diese Anerkennung:
was beim ehemaligen Weltkaisertum die Zustimmung des Kaisers,
das bewirkt heutzutage die Zustimmung der übrigen Staaten:
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