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einen vollen Anteil an dieser. Noch minder ist es erforderlich,
anzuführen, dass die gesetzgebenden Faktoren auch vollziehende,
zuweilen sogar richterliche, dass die vollziehende Gewalt auch
richterliche und vor allem die richterliche auch vollziehende (Ver-
waltungs-) Funktionen haben, ja, dass eine grundsätzliche Trennung
der Justiz- von den Verwaltungssachen nicht möglich ist und nicht
besteht!. — Für die Theorie der Gewaltenteilung spricht, dass
man lange Zeit an sie wie anein Allheilmittel geglaubt und mehr
oder minder sie vollständig einzuführen versucht hat?. Wie dem
auch sein mag, so steht fest, dass man niemals behaupten darf,
weil irgend etwas der bis in die letzten Konsequenzen durch-
geführten Gewaltenteilung entsprechen würde, dies lediglich aus
der Lehre der Gewaltenteilung und ohne ausdrückliche Verfassungs-
norm selbstverständlich irgendwo positives Recht bildet. Viel-
mehr muss in jedem Staate und in jeder Frage geprüft werden,
ob und wie weit die Urheber eines Verfassungswerks sich von der
Theorie der Gewaltenteilung haben thatsächlich leiten lassen.
Man hat davon auszugehen, dass die Theorie nicht aus dok-
trinären, sondern aus praktischen Gründen aufgestellt ist;
man hat nicht geglaubt, das Wesen des Staates besser zu er-
kennen, wenn man sie vertritt; vielmehr hat man ein praktisches,
ein ganz bestimmtes politisches Ziel verfolgt. „La s¶tion
des pouvoirs lögislatif, ex6cutif et judiciaire a pour objet d’as-
surer la libert& des citoyens“ (BArTBIE I 22). Sie
fand Aufnahme „comme garantie fondamentale des droits indivi-
duels et du bon ordre social“ (Grande Encyclopedie frangaise
Ss. m. separation des pouvoirs).. Aus diesem rein politisch-prak-
tischen Gesichtspunkt fand sie Aufnahme in die Declaration des
droits de ’homme et du citoyen“ art. 16: „Toute societe dans
——mm
' Dr. Vırruaus im Verwaltungsarchiv 1902 S. 223f.
® FLEISCHMANN, Der Weg der Gesetzgebung in Preussen $. 3: „Art. 62
Abs. 1 preuss. Verf. ist kaum mehr als ein doktrinärer Anspruch, durch
den die Bildner der Verfassungsurkunde ihren wissenschaftlichen Glauben
an die Theorie der drei Gewalten darthun wollten“.