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Stelle mag der Satz genügen, dass die Gerichte solche Verord-
nungen auf ihre Verfassungsmässigkeit prüfen durften, weil eine
gehörige Publikation im Sinne des Art. 106 Abs. 2 der Ver-
fassung fehlte®. Nicht minder steht es z. B. dem Oberver-
waltungsgerichte in einzelnen Fällen zu, Gebühren, die von
der Exekutive angeordnet sind, auf ihre legale Zulässigkeit zu
prüfen, wenn es sich z. B. um die Frage handelt, ob solche
zwangsweise in einen Gemeindeetat eingestellt werden können
(Entsch. Bd. 38 S. 2). Selbstredend steht dies Recht auch dem
Oberverwaltungsgericht nur bei den nicht gehörig publizierten
königlichen Verordnungen zu (Entsch. Bd. 35 S. 102). Hier
wird wohl auch die Frage, ob in Preussen ein selbständiges Ver-
ordnungsrecht besteht, gelegentlich zum Austrage kommen.
Nicht minder ist das Oberverwaltungsgericht, wie alle Gerichte,
befugt, zu prüfen, ob die sog. Schulregulative zu Recht bestehen, da
diese nicht in der Form königlicher Verordnungen ergangen und
nicht in der Gesetzsammlung publiziert sind. Während man im
belgischen Recht es als den schwersten Rechts- und Verfassungs-
bruch angesehen hat, dass der König von Holland die Unterrichts-
gegenstände, namentlich Art und Mass des Religionsunterrichts und
die Konfessionalität selbständig angeordnet hat, sind die Regulative
vom Jahre 1872 bisher anstandslos vom Oberverwaltungsgericht zur
Anwendung gebracht, obgleich es diese nicht hätte anwenden dürfen,
wenn es ihre verfassungsmässige Zulässigkeit verneinen musste.
In den weitaus meisten Fällen werden weder die ordentlichen
noch die Verwaltungsgerichte in der Lage sein, sich ex professo
mit der Zulässigkeit solcher selbständigen Verordnungen zu be-
fassen. Um so häufiger wird dies incidenter der Fall sein.
Kann das Gericht einen Vater bestrafen, der seinen Sohn nicht
an dem durch die Regulative normierten Unterricht teilnehmen
?** Auch die Tage- und Reisegelder sind durch Erlass vom 26. März 1855
durch selbständige Verordnung geregelt. Seit Gesetz vom 24. Mai 1861 ist der
Rechtsweg offen.