— 216 —
sich in logischer Gedankenfolge aus der Entstehungsgeschichte
der Rechtsregel. Während $& 710 des I. Entwurfs ohne Regelung
der Aufsichtspflicht eine allgemeine Haftbarkeit für die Versäu-
mung jeder Aufsichtspflicht bestimmt hatte, wurde in der II. Kom-
mission die Haftung auf die Versäumung der gesetzlichen Auf-
sichtspflicht über eine wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres
geistigen oder körperlichen Zustandes der Beaufsichtigung be-
dürfende Person beschränkt. Dabei wurde hervorgehoben, dass
die minderjährigen und die ihnen wegen geistiger oder körper-
licher Mängel gleichgestellten Personen wegen ihres Zustandes, der
in ihrem eigenen Interesse die Aufsicht über sie notwendig mache,
gefährlich seien, weshalb es angebracht erscheine, die Aufsichts-
führung darauf zu erstrecken, dass den Gefahren vorgebeugt
werde, die von dem zu Beaufsichtigenden anderen drohten, die
sich nicht um ihn zu bekümmern hätten. Der gesetzgeberische
Wille ging, wie auch das Urteil vom 30. Dez. 1901 im
wesentlichen voraussetzt, also klar und unzweideutig dahin, für
die rechtswidrigen Handlungen eines Minderjährigen bedingungs-
los denjenigen mithaftbar zu erklären, welcher die Erziehung und
Beaufsichtigung desselben zu leiten hat. Dass dies der Vater aus
dem Rechte der väterlichen Gewalt sei, steht ausser aller Frage
und ebenso, dass den Vormund eine gleiche Verantwortlichkeit
trifft. Streitig kann nur sein, ob auch dem Lehrherrn gegenüber
dies der Fall sei. Nun enthält der angeführte 8 832 nicht nur
die Norm, dass der Minderjährige als ein zur Verhütung von
Beschädigungen Dritter zu Beaufsichtigender zu erachten ist,
sondern auch den Grund der Norm, „weil er der Beaufsichti-
gung bedarf“; und aus diesen untrügerischen Vordersätzen ist die
Schlussfolgerung zu ziehen, dass jeder Minderjährige, gleichviel
wie er veranlagt und ob er mehr oder weniger gut erzogen ist,
aufsichtsbedürftig ist, mithin die Aufsichtspflicht über ihn stets
die gleiche bleibt. Es kann deshalb nicht eine Unterscheidung
zwischen Minderjährigen, die der Beaufsichtigung bedürfen, und