Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

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lichkeit den der Herrenklassen, und der Kampf, den das Volk 
gegen die Fürstenmacht geführt und der den Parlamentarismus 
geschaffen hatte, richtet sich nun gegen das Parlament selbst. 
So wie eine Menge der Uebelstände in der heutigen kapitalistischen 
Wirtschaft sich daraus erklärt, dass die ständischen Machtverhält- 
nisse und Gewohnheiten nachwirken, dass die Fabrikanten Adelige 
sind, oder sich ihnen anschmiegen, während die Lohnarbeiter in 
ihrer grossen Masse die Nachkommen der hörigen Bauern sind: 
so wirkt der historische Verband mit dem alten Ständesystem 
lähmend und aufreizend auf das politische Leben der Gegenwart, 
auf die Zusammensetzung und Thätigkeit der Parlamente. Aehn- 
lich, nur im Grade verschieden wirken auch die Elemente abso- 
lutistischen Charakters, die man aufgenommen hat, z. B. das 
Recht der Krone zur Ernennung von Mitgliedern, zur einst- 
weiligen Gesetzgebung in Abwesenheit des Parlaments (8 14 der 
österr. Verfassung) u. dgl. 
Gar viele, vielleicht die meisten Klagen, die heute gegen 
das parlamentarische System erhoben werden, haben ihren Grund 
in diesem Mischlingscharakter und seinen Folgen, die man als 
„Scheinparlamentarismus“ zu bezeichnen pflegt. Eine Kritik an 
dem gegenwärtig bestehenden System, die in das Verlangen aus- 
münden würde, man solle vor Beurteilung des Parlamentaris- 
mus ihn zunächst rein einführen, so dass seine Konsequenzen 
zu Tage treten können, hätte gute Gründe für sich. Dennoch 
kann sich die Kritik auch jetzt schon gegen den Parlamentaris- 
mus selbst richten, gegen die Wirksamkeit der echt parlamen- 
tarischen Elemente, soweit sie aus der Struktur des Systems hervor- 
geht. Eine solche Kritik der entstehenden Regierungsweise und 
ihrer Gefahren zeigt den Weg, den man zu wandeln hat, um 
letztere zu vermeiden und ich will sie hier vom Gesichtspunkte 
des Rechts aus skizzieren. 
Der Verfassungsstaat wird, weil das Parlament in erster 
Linie Gesetzgebungskörper ist, öfters auch Rechtsstaat genannt.
	        
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