— 223 —
Der Name ist nicht zutreffend. Dem Gesetzgebungskörper ent-
spricht der (tesetzesstaat und gerade hier liegt eine für seine
Thätigkeit entscheidende Frage. Wie verhält sich das Gesetz
zum Recht? Die Frage ist in der deutschen Wissenschaft zu
gleicher Zeit mit dem parlamentarischen System aufgetaucht und
schon dieses historische Moment mag ein Fingerzeig sein, dass
zwischen beiden eine Beziehung ist. Das Verhältnis wird derzeit
öfter besprochen. Die meisten Schriftsteller denken aber dabei
nur an das Verhältnis zwischen Gesetzgeber und Richter, zwischen
Legislative und juristischer Exekutive.
Das ist es nicht, was ich meine. Die Frage betrifft das Ver-
hältnis zwischen Recht und Gesetz als Rechtsquelle. Wie ver-
hält sich die Rechtsquelle zum Recht? Ist sie konstitutiv und das
Recht nichts anderes als ihr Inhalt? oder ist sie vielmehr, wenn
sie ihrer Funktion entsprechen soll, deklarativ; gleicht sie dem
Urteil, das nur aussprechen soll was ist, die Thatsachen und
Absichten der Parteien, die schon vor ihm bestanden haben?
Die Vergleichung mit dem Urteil mag verhindern, dass man
den Irrtum des Gesetzgebers, dessen Beschluss dennoch gilt, für
die Entscheidung der Frage zu sehr betont. Auch das Fehlurteil
ist Urteil, und schafft Recht zwischen den Parteien. Aber es bleibt
ein Fehlurteil und die Wissenschaft muss diesen Begriff festhalten.
Bekanntlich stehen zwei Meinungen einander gegenüber. Die
herrschende Ansicht erklärt die Rechtsquelle für konstitutiv;
Recht ist was gilt (STAMMLER), was garantiert ist (JELLINEK).
Die beiden Männer, welche die rechtswissenschaftliche Forschung
der Neuzeit begründet haben, Savıany und PucHTA, haben da-
gegen übereinstimmend die (sogenannten) formellen Rechtsquellen
bloss als Ausdruck des schon vor ihnen vorhandenen Rechtes,
der bestehenden Volksüberzeugung, erklärt. Wenn man bedenkt,
dass beide das Gewicht auf das positive Recht gelegt haben,
so darf man ihre Ansicht doch wohl nicht als eine bloss rechts-
Philosophische beiseite legen.