Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

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sich eine Lebensordnung gebildet, eine Organisation seiner sozialen 
Beziehungen, die ihm entspricht, ein Recht. Um es allgemein 
erkennbar zu machen, um Verstösse einzelner aus Unkenntnis 
zu verhüten, wird ein Gesetz gemacht. Das Recht wird in Ge- 
setzesform gefasst, „gespiegelt“, um das Wort EıkkEs von REPGow 
zu gebrauchen. Das Volk erhält in ihm seine selbstgeschaffene 
Ordnung, sein bisher bestandenes Recht aufrecht; nur klarer, 
sicherer für den einzelnen, und sein Verkehrsleben wird dadurch 
einen guten Antrieb zu weiterer Fortbildung erbalten. Haben 
sich in der Folge die Verkehrsverhältnisse und sozialen Auf- 
fassungen im Volke geändert, ist neues Recht entstanden, so ist 
wieder die Zeit zu neuer Sammlung und Sichtung in Gesetzes- 
form gekommen. Die Entwicklung geht langsam vorwärts, aber 
sicher und in stetem Verband mit dem Leben des Volkes. 
Das andere Schema ist: Gesetz, Recht, Gesetz. Es wird 
ein Gesetz gemacht, damit eine ihm entsprechende Regelung des 
Verkehrs entstehe, und wenn sie entstanden ist, wird wieder 
ein Gesetz gemacht. Weshalb? Was giebt dem neuen Gesetz 
seinen Inhalt? Man giebt doch nicht Gesetze aus Liebe zur 
Paragraphen-Novelle. Die Erklärung ist sozial-psychologisch. 
Das Gesetz, welches eine Ordnung im Interesse des Gesetzgebers, 
seiner Klasse oder Partei einführen will, darf ein gewisses Mass 
nicht überschreiten, das ihm die im Volke gelegene Kraft und 
Erregbarkeit auferlegt. Geht es zu weit, verletzt es zu viele 
und zu starke Interessen, so dringt es nicht ins Volk, regt es 
zum Widerstand auf und verfehlt seine Wirkung. Der Gesetz- 
geber rechnet also und geht so weit, als er es für praktisch 
thunlich hält. Nunmehr ist das Gesetz gegeben und gilt. Das 
Volk wird durch die exekutive Gewalt, die dem Gesetz zur Seite 
steht, veranlasst, ihm zu gehorchen. Der Widerstand einzelner 
wird gebrochen. Der Richter- und Gelehrtenstand fasst den 
Inhalt des Gesetzes in Prinzipien, und Rechtslogiker verkünden, 
es müsse so sein, die Vernunft oder die Natur des Menschen
	        
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