Full text: Archiv für öffentliches Recht.Achtzehnter Band. (18)

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Die Gesetzmacherei, die sich hieraus entwickelt, hat LOTHAR 
BucHer für England berechnet. Wenn man den Jahresdurch- 
schnitt der dortigen Gesetze für jedes Jahrhundert vom 13. bis 
19. zieht, so erhält man die Ziffern 1, 6, 9, 20, 24, 125, 330. 
Es kommen derzeit in England schon mehr Gesetze auf ein Jahr, 
als das Jahr Arbeitstage zählt, und die kontinentalen Parlamente 
ahmen das Beispiel des englischen nach. Bei einer solchen Ge- 
setzeshäufung muss selbstverständlich jede Sorgfalt in der Form, 
jede Vorsicht bei der Ausgestaltung, ja selbst bei Erwägung der 
Folgen, die ein neu aufgestellter Grundsatz nach sich ziehen 
würde, vernachlässigt werden !°, 
Zum Charakter der parlamentarischen Gesetze trägt noch 
ein besonderer Umstand bei. Das Parlament hat vielfach auf- 
gehört, Parlament zu sein, d.h. ein Ort, in welchem man die 
Beschlüsse, die man fassen will, miteinander berät. Die Debatte 
in der öffentlichen Sitzung ähnelt der Schlussversammlung im 
mittelalterlichen Strafprozess. Sie ist eine Formalität. Alles ist 
Berechtigten zu Gericht zu erlegen.“ Man versuche den Sinn der Worte „und 
Erlag der Kosten“ zu ergründen! Die durch die Akten gegebene Erklärung 
besteht darin, dass der Verfasser der Regierungsvorlage geschrieben hatte, 
„und der Kosten“. Die Fassung erschien ihm aber dann unklar und er 
schrieb darüber „Erlag“. Das Wort sollte selbstverständlich zwischen „der“ 
und „Kosten“ eingeschaltet werden; es sollte heissen „und der Erlags- 
kosten“. Der Setzer verstand dieses nicht, druckte „Erlag der Kosten“, und 
so passierte der Wortlaut die Ausschüsse, die Häuser und ging in das ver- 
Ööffentlichte Gesetz über. Das Gesetz ist in hunderttausenden Exemplaren 
verbreitet, weil es auf der Rückseite jeder Promesse steht, und doch hat 
niemand den Fehler gesehen. Ein beredter Beweis (das ist der besondere 
Grund, aus dem ich gerade dieses Gesetz als Beispiel anführe), dass der 
vorgedruckte Inhalt einer Urkunde, insbesondere ihrer Rückseite von dem 
Empfänger nicht gelesen wird und deshalb nicht als von ihm angenommen 
gelten darf. 
'% Der theoretische Streit, wie weit die Befugnis des Richters gegen- 
über einem Gesetz gehen soll, — der jetzt in Deutschland und Oesterreich 
geführt wird — hat seinen konkreten Grund zum Teil in der unrubigen par- 
teipolitischen Gesetzgebung.
	        
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