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schon vorher in den Klubs beschlossen worden. Die Mitglieder
sind gerade bei den wichtigsten Fragen in ihrer Abstimmung
gebunden, bevor sie die Argumente des Gegners gehört haben.
„Die Partei will es!* Wenn die Majorität von mehreren Parteien
gebildet wird, so wird Schacher getrieben, nicht nur in der Weise,
dass die Parteien einander in demselben Gesetze zu Gefallen
sind, dass die eine z.B. für ein Gesetz stimmt unter der Be-
dingung, dass ihr Gebiet von demselben verschont bleibt, sondern
auch derart, dass man (Gesetze austauscht, dass man abmacht:
Du stimmst für mein Gesetz und ich für Deines. Der luogo
di traffico, zu dem das Parlament durch solchen Handel ernie-
drigt wird, erinnert lebhaft an die Händler, die Christus aus dem
Tempel jagt.
Die dritte Thätigkeitsgruppe, in der sich das System kund-
giebt, ist die Exekutive, die staatliche Verwaltung. Das parla-
mentarische Prinzip verlangt die Abhängigkeit der Exekutive
vom Parlament. Das Ministerium soll der Majorität entnommen
sein. In Amerika war seit jeher Folge des Majoritätswechsels,
dass auch der ganze Beamtenstatus wechselte. Man erklärt dort
offen, dem Sieger gehöre die Beute. Es ist begreiflich, dass
dann nicht die Tüchtigkeit im Amt, sondern Verdienst um die
Partei und Protektion der Parteigenossen entscheidet".
Auch in England besteht das Uebel, wird aber durch die
ausgedehnte Selbstverwaltung gemässigt. Auf dem Kontinent
übernahm das parlamentarische System in vielen Ländern von
dem autokratischen eine gut geschulte Bureaukratie. Aber
während es auf diese wohlthätig wirken könnte und sollte, indem
es sie in lebendigere Fühlung mit dem Volke bringt, indem es
ihre abstrakte Denkweise, ihre Fremdheit gegenüber dem Leben,
ihre Behandlung der Eingaben als blosser Nummern, ihre Gleich-
gültigkeit gegen den Einfluss ihrer Entscheidung auf Existenz und
ı! Treffend von Frank Norris geschildert.